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Rede von Winfried Nachtwei
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Nachtwei zur Rüstungsexportpolitik

Veröffentlicht von: Webmaster am 18. Dezember 2008 20:53:16 +01:00 (57957 Aufrufe)

Die Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik - Parlamentarische Kontrollmöglichkeiten verbessern" nahm Winried Nachtwei zum Anlass für folgenden Redebeitrag:

Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Fragen der militärischen Sicherheitspolitik ist die Par­lamentsbeteiligung in Deutschland so weit fortgeschrit­ten wie in kaum einem anderen Land der Welt. Darauf können wir zu Recht stolz sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Umso unverständlicher ist, dass die Rüstungsexportbe­richte der Bundesregierung - immerhin jedes Jahr veröf­fentlicht - zum ersten Mal überhaupt in dieser Legisla­turperiode hier debattiert werden, und dann nicht einmal auf Initiative der Koalitionsfraktionen - das wäre eine Selbstverständlichkeit gewesen -, sondern auf unsere Ini-tiative.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE])

Dies betrifft außerdem einen Bereich, der wie kein ande­rer Bereich der Sicherheitspolitik der parlamentarischen Kontrolle und Einsichtnahme entzogen ist. Daher habe ich an dieser Stelle umso mehr der Gemeinsamen Konfe­renz Kirche und Entwicklung, GKKE, zu danken, die in­zwischen zum zwölften Mal einen Bericht zu dieser Pro­blematik vorgelegt hat, der informativ, seriös und differenziert ist und wirklich eine friedens- und sicher­heitspolitische Orientierungshilfe in dieser Materie dar­stellt.

Ich habe es nicht vergessen: Die Zeit der rot-grünen Regierung war nicht die heile Welt der restriktiven Rüs­tungsexporte.

(Beifall bei der FDP - Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das habt ihr aber früher anders gesehen!)

Immer wieder hat es zwischen den Ressorts Streit gege­ben, und immer wieder stand weitsichtige Sicherheits­politik mit kurzfristiger Interessenpolitik im Konflikt. Immer wieder hat es Streit zwischen unserer Fraktion und Teilen der Bundesregierung gegeben. Spektakulär war - Sie alle können sich noch daran erinnern - die Auseinandersetzung über das EU-Waffenembargo, als der eigene Bundeskanzler Schröder dieses aufheben wollte, es uns aber durch eine Koalition in der Koalition gelungen ist, dieses unsinnige Vorhaben zu stoppen.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)

Damals gab es einige problematische Trends. Diese ha­ben sich in dieser Koalition enorm verstärkt.

Ich nenne drei Felder. Erstens: die sogenannten Sam­melausfuhrgenehmigungen für den Export von Rüs­tungsgütern. Ihr Wert ist enorm gewachsen, von 2,4 Mil­liarden Euro in 2004 über 3,5 Milliarden Euro in 2006 auf 5,1 Milliarden Euro in 2007. Was ist daran das Pro­blem? Diejenigen, die letztendlich die Empfänger von Rüstungsexporten sind, sind im Grunde - es geht hier um Komponenten in Rüstungskooperationen - völlig au­ßer Kontrolle.

Zweitens: Einzelgenehmigungen für den Export von Kleinwaffen an Drittländer. Ihr Wert stieg von 8,2 Mil­lionen Euro im Jahre 2004 über 15,6 Millionen Euro im Jahre 2006 auf 30,2 Millionen Euro im Jahre 2007. Hauptempfänger der Kleinwaffen - Gewehre, Maschi­nenpistolen - waren Saudi-Arabien und Ägypten. Au­ßenminister Steinmeier betont zu Recht die Notwendig­keit der Kontrolle der Ausfuhr von Kleinwaffen. Diese Haltung wird durch den immer exzessiveren Export die­ser Kleinwaffen konterkariert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE])

Drittens: Einzelgenehmigungen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. In welche Gebiete wurde exportiert? Auf diesem Gebiet sind bei den sogenannten Drittländern führend: Pakistan und In­dien. In Konfliktfällen ist es natürlich „richtig" - aus­gleichende Gerechtigkeit -, beide Seiten zu beliefern.

Nun komme ich auf Pakistan zu sprechen. An Pakis­tan wurden bis 2004 keine Kriegswaffen geliefert. Im April 2007 erfuhr der Haushaltsausschuss des Bundesta­ges, dass von der Bundesregierung inzwischen eine Vor­anfrage zur Lieferung von drei U-Booten an Pakistan positiv beschieden war und dass die Bundesregierung dafür eine Hermesbürgschaft von über 1 Milliarde Euro zugesagt hatte. Genauere Informationen zum jetzigen Stand haben wir nicht.

Aber erinnern wir uns: Lieferungen von Kriegswaffen an sogenannte Drittstaaten sind grundsätzlich untersagt, außer es sprechen besondere deutsche außen- und sicher­heitspolitische Interessen dafür. Solche kann ich hier nicht erkennen.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)

Vor allem in den Westprovinzen Pakistans toben bewaff­nete Auseinandersetzungen der krassesten Form. In etli­chen Distrikten haben die pakistanischen Taliban die Macht übernommen. Das pakistanische Militär und vor allem der pakistanische Geheimdienst gelten wahrhaftig nicht als zuverlässig. Sehr gut belegt sind Vorwürfe, dass Teile des pakistanischen Geheimdienstes bis heute den Terror unterstützen. Das pakistanische Militär dokumen­tiert das Interesse, sich Trägersysteme für die eigenen Atomwaffen zuzulegen. Das bezieht sich eindeutig auf diese U-Boote.

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ihre Zeit ist jetzt um!)

Außerdem befindet sich Pakistan historisch im Konflikt mit Indien. Es veranstaltet ein Wettrüsten, gerade was den maritimen Bereich angeht, und ist in Konflikte mit vielen anderen Ländern verwickelt.

Es wird immer wieder das deutsche Interesse an Stabilisierung, an Rüstungskontrolle und an Friedens­förderung gerade in diesem Raum beschworen. Solche U-Boot-Lieferungen sind damit allerdings in keiner Weise zu vereinbaren.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):

Ja, ich komme jetzt zum Schluss.

Lieber Kollege Polenz als Vorsitzender des Auswärti­gen Ausschusses, lieber Kollege Mützenich und andere in der SPD, ich weiß um Ihre massiven Bedenken gegen dieses Rüstungsexportvorhaben. Bitte, begleiten Sie die Bundesregierung in diesem Fall wieder nicht nur kri­tisch, sondern stehen Sie jetzt wirklich einmal zu Ihrer Position!

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)

Bei der Behandlung dieses Themas reicht es auch nicht, die Politik der Bundesregierung ab und zu einmal zu kommentieren.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege!

Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):

Wenn wir den notwendigen Primat weitsichtiger Si­cherheitspolitik durchsetzen wollen, dann ist zweierlei notwendig - das erläutere ich in zwei Sätzen -:

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Das ist zu viel.

Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):

Erstens. Die Federführung muss vom Wirtschafts­ministerium auf das Auswärtige Amt übergehen. Zwei­tens. Wir als Parlament müssen Beteiligungsrechte in ge­eigneter Form bekommen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):

Für ein selbstbewusstes Parlament müsste das selbst­verständlich sein.

Danke schön.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)