Chemische Waffen gehören zu den scheußlichsten und grausamsten Waffen der Welt. Sie wurden nicht nur im Ersten und Zweiten Weltkrieg mit verheerenden FolÂgen eingesetzt. Chemiewaffen wurden unter anderem auch im Vietnam-Krieg verwendet und vor kurzem jährte sich zum zwanzigsten Mal der Giftgaseinsatz geÂgen die kurdische Bevölkerung im irakischen Halabscha.
Vor diesem Hintergrund ist es eine nicht zu unterÂschätzende Errungenschaft, dass wir vor knapp einem Jahr das zehnjährige Bestehen der ChemiewaffenkonÂvention feiern konnten. Das 1997 in Kraft getretene CheÂmiewaffenabkommen ist in mehrfacher Hinsicht musterÂgültig:
Das Abkommen kann fast weltweite Gültigkeit beanÂspruchen: 183 Staaten sind dem Abkommen beigetreten, fünf weitere haben es unterzeichnet. Das Abkommen verbietet Entwicklung, Herstellung, Besitz, Weitergabe und Einsatz einer ganzen Kategorie von MassenvernichÂtungswaffen. Die Chemiewaffenbestände sind durch die Vertragsstaaten offenzulegen und binnen 10, spätestens 15 Jahren, unter internationaler Aufsicht zu vernichten. Das Herzstück des CWÃœ ist das „allgemeine ZweckkriÂterium", wonach alle toxischen Chemikalien und VorÂprodukte verboten und nur für bestimmte Zwecke erÂlaubt sind. Es gibt ein permanentes Sekretariat und ein Verifikationssystem, das die Einhaltung des AbkomÂmens, dessen Weiterentwicklung und die Vernichtung der Waffen sicherstellen soll.
Man stelle sich vor: Hätten wir ein solch breit getraÂgenes Abkommen für den Bereich der Atomwaffen, dann wäre die Welt im Jahr 2020 weitgehend atomwafÂfenfrei!
Obwohl das CWÜ eine wichtige Errungenschaft ist, gibt es sowohl im Bereich der Implementierung aber vor allem im Bereich der Weiterentwicklung eine Reihe von Problemen, die hier nur stichwortartig genannt werden können.
Der Vertrag ist in vielen Staaten nur unzureichend in nationales Recht umgesetzt. Wichtige Staaten, die im Verdacht stehen, C-Waffen zu besitzen, sind dem AbÂkommen noch nicht beigetreten. Die Bundesregierung und die EU sollten weiterhin und nachdrücklicher auf Nordkorea, Somalia, Angola aber auch auf Ägypten, SyÂrien und Israel einwirken, dem Abkommen beizutreten. Von den 71 000 Tonnen deklarierter Chemiewaffen sind bislang lediglich knapp 28 000 Tonnen zerstört. Das Ziel, bis 2012 alle Waffenbestände vernichtet zu haben, wird bei dem gegenwärtigen Mitteleinsatz voraussichtÂlich nicht erreicht. Hier müssen die nationalen BemüÂhungen vor allem der USA und Russlands und die interÂnationalen Hilfen erhöht werden.
Um Mitgliedstaaten nicht falschen Verdächtigungen auszusetzen ist das schärfste Verifikationsinstrument - die „Verdachtsinspektion" - bislang nur übungsweise, aber nicht real zur Anwendung gekommen. Die BundesÂregierung sollte die Mitgliedstaaten des CWÃœ ermunÂtern, eine unangemeldete Verdachtsinspektion in Deutschland durchzuführen.
Die Grenzen zwischen ziviler und militärischer, tödliÂcher und nichttödlicher Wirkung, Schutz- und MilitärÂforschung sind fließend. Ein ganz besonderes Problem stellt die technologische, wissenschaftliche und indusÂtrielle Weiterentwicklung in diesem Dual-use-Bereich dar. Die chemischen Produktionsanlagen werden immer kleiner. Sie werden bislang nur unzureichend kontrolÂliert. Im Bereich der Biotechnologie und NanotechnoloÂgie gibt es rasante - auch sicherheitspolitisch relevante - Entwicklungen. Um eine Aushöhlung des C-WaffenabÂkommens zu verhindern, müssen die Vertragsstaaten auf diese Entwicklungen bereits heute und nicht erst nach Abschluss der C-Waffenvernichtung reagieren. Hierzu liegen Experten-Vorschläge vor.
Dies gilt auch für den heiklen Bereich des Einsatzes von Reizgasen und sogenannter nichttödlicher Waffen. Sicherheitskräfte, insbesondere in den USA und RussÂland, experimentieren seit Jahren mit nichttödlichen Waffen. Darunter sind auch chemische Mittel, die MenÂschen bewegungsunfähig machen oder beruhigen sollen. Falsch dosiert oder in bewaffneten Konflikten eingesetzt können diese tödliche Folgen haben. Im Oktober 2002 setzten russische Spezialkräfte im Moskauer Musical-Theater ein hochdosiertes Betäubungsmittel zur GeiselÂbefreiung ein. Dabei wurden 132 der 830 Menschen geÂtötet. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass auch das amerikanische Militär ein breites Spektrum an vermeintÂlich nichttödlichen Chemiewaffen für Kriegseinsätze entwickelt.
Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich auf der Ãœberprüfungskonferenz dafür einsetzt, dass sich die Vertragsstaaten dieses Problems annehmen. Und wir erwarten auch, dass die Bundesregierung ihre ForÂschungsaktivitäten im Bereich der nichtletalen Waffen offenlegt.
Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Regimes geleistet. Die finanziellen, personellen und technischen Beiträge, die Deutschland zum Beispiel im Rahmen des Globalen PartÂnerschaftsprogramms der G 8 zur Vernichtung der C-WafÂfen in Russland leistet, sind beispielhaft. Insgesamt hat die Bundesregierung bis zu 340 Millionen Euro für die Errichtung von drei Anlagen zur Vernichtung chemiÂscher Waffen in Russland bereitgestellt. Im Gegensatz zu meinem hoch geschätzten FDP-Kollegen Stinner, halte ich diese Abrüstungshilfe für eine gute und friedensförÂderliche Investitition. Sie kommt nicht nur deutschen Unternehmen, sondern auch deutsch-russischer VertrauÂensbildung und Abrüstung zugute. Bei DelegationsreiÂsen nach Gorny und Kambarka konnten wir uns vom Vorbildcharakter dieser deutsch-russischen AbrüstungsÂzusammenarbeit überzeugen.
Wir appellieren an Russland, seine Anstrengungen zur Beseitigung der Chemiewaffen zu erhöhen. Aber auch Deutschland, die EU und andere Staaten sollten künftig ihre Bemühungen intensivieren um andere StaaÂten bei der Sicherung und Vernichtung von ChemiewafÂfen tatkräftig zu unterstützen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen innenÂpolitischen Aspekt kommen. Die Bundesregierung ist der Ansicht, Deutschland habe seine Bestände an vor 1945 produzierten, „alten chemischen Waffen" vertragsÂkonform bis Ende April 2007 komplett vernichtet. Dies mag für die an Land gelagerten bzw. gefundenen C-WafÂfen gelten. Es gilt aber nicht für die Munitionsaltlasten, die heute noch vergraben sind bzw. in der Nord- und Ostsee lagern. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wurden riesige Mengen chemischer Waffen und KampfÂstoffe im Meer versenkt. In der Lübecker Bucht liegen vermutlich 15 Flaschen mit hochgefährlichem Giftgas, die selbst noch 1961 und offenbar unter offizieller AufÂsicht versenkt worden sein sollen. Erst auf erheblichen öffentlichem Druck entschied sich die Landesregierung vor kurzem, die Giftgasflaschen zu bergen. Es gibt HinÂweise, dass auch in der Flensburger und Kieler Förde, zwischen Usedom und Bornholm und an diversen andeÂren Stellen chemische Kampfstoffe liegen.
Dieses Teufelszeug ist damit nicht aus der Welt geÂschafft und nicht in der Versenkung verschwunden. Es ist eine ständige Bedrohung. Immer wieder kommt es vor, dass Fischer oder Strandbesucher von Senfgas, TaÂbun oder Phosphor verletzt werden. Hier sind nicht nur die Länder, hier ist auch der Bund in der Pflicht. Es ist schwer zu erklären, warum die Bundesregierung RussÂland aber nicht Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen bei der Identifizierung, SiÂcherung, Bergung und Vernichtung von MunitionsaltlasÂten unter die Arme greift. Es wäre daher sehr zu begrüÂßen, wenn sich der Bund hier zu seiner Verantwortung bekennt.
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: