Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Winfried Nachtwei für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland gibt es auch heute noch Tausende von Kriegerdenkmälern, mit denen nicht nur der Kriegstoten gedacht wird, sondern mit denen der Krieg sehr oft auch beschönigt und verherrlicht und mit denen ein verqueres Heldengedenken demonstriert wird. Heute muss es um den Bruch mit einer solch demokratiefernen Tradition gehen.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vor drei Jahren hatte ich die Gelegenheit, in Suchumi in Abchasien vor einem Gedenkstein für neun Mitglieder der United Nations Observer Mission in Georgia zu steÂhen, die am 8. Oktober 2001 im Kodori-Tal abgeschosÂsen worden sind. Die Umgekommenen waren Ukrainer, Russen, Georgier, Pakistani, ein Schweizer und ein Deutscher. Es waren vier Soldaten - vier unbewaffnete Militärbeobachter - und fünf Zivilisten, acht Männer und eine Frau. Ãœbrigens wurde damals von diesem ersÂten Bundeswehrsoldaten, der durch gegnerische EinwirÂkung ums Leben gekommen ist, wenig Aufheben geÂmacht; er wurde nach Deutschland regelrecht zurückgeschmuggelt.
Seit Anfang der 90er-Jahre sind 69 BundeswehrsoldaÂten in Auslandseinsätzen ums Leben gekommen - Gott sei Dank bisher keiner in einer Kampfsituation. Seit 1996 sind zwei deutsche Diplomaten und sechs Polizisten im Ausland ums Leben gekommen. Im Rahmen von Auslandseinsätzen von Durchführungsorganisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wurden seit 1996 25 Todesfälle bekannt. Unbekannt ist der BundesregieÂrung bisher die Zahl der bei humanitären und internatioÂnalen Organisationen tätigen, nicht entsandten DeutÂschen, die ums Leben gekommen sind, sowie die Zahl der Nichtdeutschen, die bei deutschen humanitären OrÂganisationen ums Leben gekommen sind.
Wenn Menschen im Rahmen des Friedensauftrags des Grundgesetzes zu Tode kommen, sind Politik und Gesellschaft eindeutig in der Pflicht, ihrer öffentlich und beständig zu gedenken. Das geschieht, wenn etwas pasÂsiert ist, bisher nur in Momenten, einige Tage danach am Flughafen Köln-Bonn. Die Voraussetzung eines solchen dauerhaften Gedenkens ist eine breite Debatte. Minister Jung hat mit seiner Initiative einen Anstoß hierfür gegeben, aber durch die Art und Weise des Vorgehens eine breitere Debatte und Initiative zunächst erschwert und damit auch eine wirklich öffentliche Erinnerung. Wir brauchen keine bloße „Ressort-Erinnerung". Eine öffentliche und gemeinsame Erinnerung an jene, die im Rahmen des Friedensauftrages des Grundgesetzes und im Dienste der Menschenwürde im Ausland ums Leben gekommen sind, ist überfällig. Das sind neben Soldaten auch Entwicklungshelfer, humanitäre Helfer, Polizisten und Diplomaten. Angemessen dafür ist in der Tat nur ein Ort im Umfeld des Bundestags.
Unverzichtbar für einen solchen Schritt in der deutschen Erinnerungskultur ist eine breite öffentliche DeÂbatte. Wir glauben, mit unserem heutigen Antrag einige gute Vorschläge gemacht zu haben. Nach meiner EinÂschätzung der heutigen Diskussion sowie der Diskussion im Ausschuss ist diese Initiative nicht nur wünschensÂwert, sondern auch als gemeinsame Initiative möglich. Es wäre eine Initiative zur Fortentwicklung einer demoÂkratischen Erinnerungskultur, die den Friedensauftrag des Grundgesetzes nicht ideologisch missbraucht, sonÂdern ernst nimmt.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: