Benedict kennen wir seit den 1970er Jahren aus dem Münsterland. In Berlin treffen wir uns seit vielen Jahren regelmäßig mit ihm. Maximilian Damm besuchte den ALS-gelähmten Ex-Journalisten und sprach mit seiner Frau und seinem Jungen. Im Angesicht schwerster Krankheit traf er auf verlässliche Liebe zum Leben und menschliche Stärke.
„Mein Wille geschehe -Wie weit geht die moderne Medizin?“
Wie ein Freund und seine Lieben mit seiner ALS-Lähmung umgehen
Dokumentation von Maximilian Damm, ZDF, 37 Grad, gesendet am 11.08.2020
https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/37-mein-wille-geschehe-100.html
Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei
Die 37-Grad-Dokumentation schildert das Leben von zwei schwerstkranken Menschen, die ohne permanente Intensivpflege nicht überleben würden. Der eine ist Benedict Maria Mülder, aufgewachsen in Emsdetten/Münsterland, Journalist, Gründungsmitglied der taz, dann vor allem für Radio Berlin-Brandenburg und den Tagesspiegel arbeitend.
Benedict lernten wir, Halu, Stefan und ich, in den bewegten 1970ern im Münsterland kennen. In Berlin treffen wir uns seit mehr als zehn Jahren alle paar Monate mit ihm. So erlebten wir mit, wie ALS sich in ihm ausbreitete, ihn immer mehr lähmte, seine Kommunikationsfähigkeit reduzierte und inzwischen völlig ausschaltete - ihm, seiner Frau und seinem Jungen aber nicht die Liebe zum gemeinsamen Leben nahm.
37 Grad: „Durch die Möglichkeiten der modernen Medizin steigt die Zahl derer, die ohne permanente Intensivpflege nicht überleben würden. Also lieber Apparatemedizin und oft qualvolles Leiden? Was will der Patient, der sich vielleicht gar nicht mehr äußern kann?
Alternative zur Beatmung: Der Tod
Der 65-jährige "taz"-Mitbegründer und Journalist Benedict Mülder bekam im Jahr 2009 die Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, eine Krankheit, die zu totaler Bewegungslosigkeit führt. Er hat sich damals dafür entschieden, mit der Krankheit weiterzuleben. Mit Beatmung und zu Hause bei seiner Familie. Seine Frau Dagmar hat die Entscheidung mitgetragen – aus Liebe zu ihm: "Es war uns klar, dass wir uns immer für das Leben entscheiden." Die Alternative zur Beatmung wäre der Tod gewesen. Seit Jahren liegt Benedict Mülder nun bewegungslos in einem Pflegebett im Wohnzimmer seiner Familie.
Der Alltag findet um ihn herum statt: das Abendessen mit Sohn Jim genauso wie der regelmäßige Besuch von seinen Freunden. Durch das Krankenbett im Wohnzimmer hat Benedict Mülder Anteil am Leben. Aber welchen eigentlich? Er ist völlig passiv und reagiert nicht auf Ansprache. 2016, als er noch kommunizieren konnte, hat er klar gesagt: Dieses Leben ist für ihn lebenswert. Ob er das heute immer noch so empfindet? Das wissen weder seine Frau noch seine Freunde.
Entscheidung über Leben und Tod
Johannes Kalbhenn muss täglich Entscheidungen über das Leben anderer treffen. Der 41-Jährige ist Oberarzt einer Intensivstation am Universitätsklinikum Freiburg und behandelt oft Patienten, die sich nie damit auseinandergesetzt haben, unter welchen möglicherweise massiven Einschränkungen sie trotzdem weiterleben wollen - oder nicht. Noch komplexer wird die Frage, wenn sich Patienten nicht mehr äußern können oder nicht mehr bei Bewusstsein sind: "Mit jedem Organ, das wir durch Apparate ersetzen können, wächst die Verantwortung. Ist es überhaupt sinnvoll, das zu tun?", so Johannes Kalbhenn.
Wenn ein Patient nicht mehr bei Bewusstsein oder dement ist, es keine Patientenverfügung gibt, ist die größte Herausforderung für den Arzt, durch Gespräche mit Angehörigen herauszufinden, was dessen mutmaßlicher Wille ist. Es gibt dabei nie hundertprozentige Gewissheit, ob eine getroffene Entscheidung wirklich im Sinne des Patienten ist.
"37" begleitet Menschen, die sich damit auseinandersetzen, wie Patientenwille und moderne Medizin zueinander stehen. Im Film geht es vor allem um die ethische Seite des Themas, bei der es selten ein eindeutiges Richtig oder Falsch gibt.
37 Grad-Autor Maximilian Damm über seinen Film
Für diesen Film habe ich drei Menschen begleitet. Zwei davon sind Dagmar und Benedict Mülder. Benedict Mülder liegt seit bereits neun Jahren bewegungslos mit ALS im Wohnzimmer seiner Familie. Als ich zum ersten Drehtag in Berlin ankam, musste ich mich der Situation erst annähern. Anfangs wirkte es befremdlich auf mich, dass ich von Benedict Mülder keine Antworten bekam. Ich unterhielt mich mit den Pflegern und fragte, ob sie wahrnehmen, wenn Benedict Mülder sich beispielsweise unwohl fühlt. Denn ich habe ihn zwar gefragt, ob es in Ordnung ist, dass wir ihn filmen, bekam aber natürlich keine Antwort. Seine Frau Dagmar versicherte mir, dass es in seinem Sinne ist, dass seine Geschichte in einem Film veröffentlicht wird. Der bemerkenswerte Umgang seiner Familie half mir, mit der Situation schnell klar zu kommen.
Das Leben der Familie findet ganz selbstverständlich um den Kranken herum statt. „Ich lege mein Herz in Deine Hände“ hat Benedict Mülder seiner Frau gesagt, als er noch kommunizieren konnte. Und: Dieses Leben sei für ihn lebenswert. Seine Entscheidung, so lange mit der Krankheit weiterzuleben, polarisiert. Ob er das heute immer noch so empfindet, wissen weder seine Frau noch seine Freunde. Ob das die richtige Entscheidung für ihn war, weiß nur er selbst.“
Leben mit dem Sterben
„Mein Herz hüpft vor Freude, wenn die Haustür schlägt“ von Benedict Maria Mülder, Tagesspiegel 04.04.2015
Auch am Ende gibt es das noch: das Glück. Doch die Knopfdruck-Gesellschaft versucht, den Tod zu beherrschen und zersetzt so die Selbstachtung. Gegenrede eines Sterbenden. (Der Autor ist Journalist und seit 2008 an ALS erkrankt. Er ist gelähmt und kann nur mit seinen Augen schreiben. Er lebt in Berlin.)
Do 09.10.2014 | 21:45 | Kontraste (ARD)
Spendenaktion für ALS-Kranke: Was bleibt nach dem Hype um die Ice-Bucket-Challenge
Mit Eiswasserduschen schwerkranken Menschen helfen, die Spendenaktion für ALS-Kranke hat weltweit Schlagzeilen gemacht. Allein die Berliner Charité hat bislang 1,6 Millionen Euro Spendengelder erhalten. Für den an ALS erkrankten Journalisten Benedict-Maria Mülder ist der zuweilen ausgelassene Eventcharakter der Aktion Grund sich zu ärgern: Zu wenig Aufklärung über die tödlich verlaufende Krankheit, zu viel Selbstdarstellung der Spender kritisiert er.
Tausende Menschen haben sich in diesem Sommer eimerweise Eiswasser über den Kopf geschüttet. – weltweit. Sie wollen auf die Nervenkrankheit ALS aufmerksam machen und dafür Spenden sammeln. Auch unser Kollege Benedikt Maria Mülder ist an ALS erkrankt. Seit 2008. Als Journalist hat er sich jetzt zu Wort gemeldet. Scharf greift er die Aktion mit dem Eiswasser an. Iris Marx berichtet.
Artikel von Benedict Maria Mülder im Tagesspiegel
https://www.tagesspiegel.de/suchergebnis/?p9049616=2&sw=Benedict%20M%C3%BClder
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: