Antrag: 20 Jahre nach Halabja – Unterstützung für die Opfer der Giftgasangriffe

Von: Webmaster amMi, 20 Februar 2008 10:50:02 +01:00
Folgenden Antrag "20 Jahre nach Halabja - Unterstützung für die Opfer der Giftgasangriffe" brachten Claudia Roth und Winfried Nachtwei in den Bundestag ein:

Deutscher Bundestag Drucksache 16/8197

16. Wahlperiode 20. 02. 2008

Antrag

der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Winfried Nachtwei, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Rainder Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

20 Jahre nach Halabja - Unterstützung für die Opfer der Giftgasangriffe

Der Bundestag wolle beschließen:

Im Gedenken an die Giftgasangriffe auf Halabja, bei denen vor 20 Jahren über 5 000 Kurden im Nordirak ums Leben kamen und weitere Tausende verletzt wurden, sowie die weiteren Tausenden Opfer der anderen Giftgasangriffe unter Saddam Hussein

Berlin, den 20. Februar 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Am 16. März 1988 fand der Giftgasangriff auf Halabja im kurdischen Nordirak nahe der iranischen Grenze statt. Bei dem Angriff der irakischen Armee auf die damals iranisch besetzte Stadt während des Iran-Irak-Krieges kamen bis zu 5 000 Menschen ums Leben. Zahlreiche Verletzte flohen in den Iran. Verantwortlich für den Angriff war der ehemalige irakische Verteidigungsminister und

Armeekommandeur Ali Hassan Al-Madjid. Ali Hassan Al-Madjid wurde im Juni 2007 im Zusammenhang mit den so genannten Anfal-Angriffen auf kurdische Dörfer von dem irakischen Sondergericht zum Tode verurteilt. Bei den Anfal-Angriffen kamen nach Schätzungen von Human Rights Watch zwischen 50 000 und 100 000 Menschen ums Leben, nach Angaben kurdischer Quellen sogar bis zu 182 000. Das irakische Gericht stufte diese Angriffe, die den Höhepunkt der systematischen Unterdrückungspolitik gegen die irakischen Kurden darstellte, als Genozid ein.

Die Folgen der Saddam-Zeit sind in der Region Kurdistan-Irak allgegenwärtig. Das trifft insbesondere für jene teils ländlichen und abgelegenen Gebiete zu, die besonders unter der Gewaltpolitik Saddam Husseins und den Giftgasangriffen gelitten haben. Krebs-, Haut-, Atemwegserkrankungen und Missbildungen gehören zu den noch heute virulenten Folgen. Viele Opfer und ihre Angehörigen leiden unter den physischen und psychischen Spätfolgen der Gewalt, noch immer sind Tausende von Schicksalen von Vermissten und Ermordeten ungeklärt. Viele Überlebende leben in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen, leiden unter der unzureichenden Gesundheitsversorgung und mangelnden hygienischen Verhältnissen.

Das C-Waffenarsenal Saddam Husseins hätte nicht ohne die Lieferungen internationaler, darunter auch deutscher Firmen aufgebaut werden können. Deutsche Firmen handelten gegen bestehende Rüstungsexportbestimmungen oder nutzten ihre damaligen Lücken mit der Lieferung von Dual-Use-Gütern (vgl. Bericht der Bundesregierung vom 8. Mai 1991, Bundestagsdrucksache 12/487). Einige Firmen wurden gerichtlich belangt, das Strafmaß blieb mit Geld- und Bewährungsstrafen zumeist gering; die Opfer erhielten keinerlei Zuwendungen. Die Opfer vor Ort erinnern die Rolle internationaler und deutscher Firmen beim Aufbau des Chemiewaffenprogramms Saddam Husseins. Sie fordern keine Entschädigungszahlungen, aber zumindest eine Anerkennung ihrer Leiden. Am 16. März 2008 jährt sich zum 20. Male der Giftgasangriff auf das irakisch-kurdische Halabja auf Befehl Saddam Husseins. Nach 20 Jahren ist es angemessen, einen zumindest symbolischen Beitrag zu leisten für die Opfer und ihre Angehörigen. Das gilt auch für die in noch größerer Zahl betroffenen Opfer der systematischen Anfal-Kampagne gegen die kurdische Bevölkerung.

Darüber hinaus sind im ganzen Land auch außerhalb der kurdischen Gebiete Menschen von den Spätfolgen der Gewaltherrschaft Saddam Husseins betroffen. Auch für diese Menschen sollte über bereits existierende Projekte hinaus stärkere Unterstützung bereitgestellt werden, die nicht zuletzt ein wichtiger Beitrag zu Versöhnung und Stabilisierung im Irak ist.