Bundeswehrsoldaten und Zivilexperten in Afghanistan verdienen auch und gerade nach dem Raketenangriff Unterstützung aller Fraktionen

Von: Webmaster amDo, 30 September 2004 18:56:06 +01:00
Zur Verlängerung des Bundestagsmandats für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan um ein weiteres Jahr und zum gestrigen Raketenangriff auf das Provincial Reconstruction Team (PRT) in Kundus erklärt Winfried Nachtwei, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und sicherheitspolitischer Sprecher:

Wir verurteilen den gestrigen Raketenangriff auf das deutsche Wiederaufbauteam in Kundus aufs Schärfste und wünschen den verletzten Soldaten baldige und vollständige Genesung. Dieser Angriff war der erste Anschlag auf eine Liegenschaft eines deutschen Wiederaufbauteams. Ziel dieses Anschlags war es vermutlich, eine politische Verunsicherung zu bewirken und den Prozess der Wahlen und der Stabilisierung zu stören. Ganz entscheidend ist es deshalb jetzt, wie darauf von Seiten der afghanischen Sicherheitsorgane und der örtlichen Bevölkerung reagiert wird, aber auch, wie dieser Anschlag hier in Deutschland aufgenommen wird. Wir müssen fest in dem Willen bleiben, die VN und die afghanische Zentralregierung bei der Gewalteindämmung und Stabilisierung zu unterstützen.

ISAF-Bundeswehreinsätze in Afghanistan sind im sicherheitspolitischen Interesse der Internationalen Gemeinschaft und Deutschlands unverzichtbar. Wir stehen nur zehn Tage vor den ersten freien Wahlen in der Geschichte Afghanistans. Wir müssen mit erheblichen Defiziten bei der Registrierung der Wählerinnen und Wähler rechnen sowie mit erheblichen Manipulationsversuchen. Und dennoch zeigt der Rückblick auf die Zeit vor dem internationalen Engagement in Afghanistan und vor dem Beginn des Einsatzes der Bundeswehr (seit Januar 2002), wie viel seit Beginn des Petersberg-Prozesses durch politische, zivile und aber auch gerade militärische Anstrengung in Afghanistan erreicht werden konnte: Eine Zentralregierung, die in ihrer Zusammensetzung die verschiedenen Ethnien Afghanistans repräsentiert, hat im Lauf der Zeit formal und real Legitimation erhalten und hat auch fast drei Jahre nach der Petersberg-Konferenz noch Bestand. Eine moderne Verfassung ist in einem beispielhaft offenen Verfahren angenommen worden, die Präsidentschaftswahlen stehen unmittelbar bevor.

Natürlich ist es die Pflicht jedes einzelnen Abgeordneten, zu prüfen, ob solch ein schwieriger und auch riskanter Einsatz notwendig und verantwortbar ist. Überflüssig und sogar schädlich ist es jedoch, wenn Oppositions-Abgeordnete über legitime Kritik hinaus öffentlich Sinn und Konzeption von Einsätzen insgesamt in Frage stellen. Dies ist nicht nur unprofessionell, sondern führt zu Verunsicherung und völligem Unverständnis bei Bundeswehrsoldaten, wie ich am vergangenen Sonntag bei meiner Reise nach Kundus und Faisabad feststellen musste.

Die FDP-Forderung nach einer Aufsplitterung des Afghanistan-Mandates in ein „PRT-Mandat“ und ein „Kabul-Mandat“ ist abzulehnen. Die Bundesregierung verfolgt ein schlüssiges Afghanistan-Konzept, in dem die Arbeit der Bundeswehr in Kabul und den PRTs integrale Bestandteile sind. In einer Zeit, in der ISAF auf das gesamte Territorium Afghanistans ausgeweitet wird, würde ein Rückzug aus dem PRT-Prozess als Rückzug Deutschlands verstanden werden, also Rückzug des Landes, das bisher ganz vorne war bei der Friedensförderung in Afghanistan und dafür höchste Anerkennung bei der afghanischen Bevölkerung, den VN und den internationalen Partnern gewonnen hat. Dies hätte eine rundum entmutigende, ja zerstörerische Wirkung auf den gesamten Stabilisierungsprozess in Afghanistan.