Erfolgreicher als gedacht: Internationales Engagement in Nordafghanistan
Von: Webmaster amDo, 07 Februar 2008 17:12:46 +01:00Zu der gerade veröffentlichten Studie "Internationale Akteure in Afghanistan" von Wissenschaftlern der FU Berlin erklären Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher, und Ute Koczy, entwicklungspolitische Sprecherin:
Die Bevölkerung in Nordostafghanistan sieht die Arbeit von internationalen Truppen und Entwicklungshelfern überraschend positiv! Die Ergebnisse der Studie sind ermutigend, aber auch kritisch und fordernd. Sie widerlegen zugleich eindrucksvoll eine verbreitete Sichtweise, die wegen der Verschärfung der Sicherheitslage die realen Fortschritte nicht zur Kenntnis nimmt. Die Studie muss nicht zuletzt denjenigen zu denken geben, die einen Sofortabzug fordern. Das wäre gegen den Willen der afghanischen Bevölkerung, die Schlimmstes durchgemacht hat und in den letzten Jahren durch den Aufbau neue Hoffnung schöpfen durfte.
Bei der ersten sozialwissenschaftlichen Untersuchung zur Wirksamkeit des internationalen Engagements im deutschen Verantwortungsbereich der Provinzen und Kunduz und Takhar wurden im Frühjahr über 2034 Haushalte in 77 Gemeinden von einem Team der afghanischen NGO "Coordination of Afghan Relief" und dem FU-Wissenschaftler Jan Koehler (Projektleitung Prof. Dr. Christoph Zürcher). Die überwältigende Mehrheit der Befragten war der Meinung, dass sich in den letzten zwei Jahren die Sicherheitslage verbessert habe und dass dazu ausländische Truppen und Regierung maßgeblich beigetragen hätten. ISAF wird vor allem zu Gute gehalten, dass sie die Willkür von Gewaltakteuren eindämme und für eine Art "Landfrieden" sorge.
Ausgesprochen positiv bewertet werden die Leistungen der Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere beim Straßen- und Brückenbau, bei Trinkwasserprojekten, beim Schulbau und Bewässerungsprojekten. Gering ist bisher allerdings die Wirkung bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Die Studie konstatiert für die internationalen Akteure eine hohe Legitimität durch Leistung. Als Bedrohung für lokale Bräuche und islamische Werte werden die ausländischen Entwicklungsakteure kaum wahrgenommen. Gemischt ist demgegenüber das kulturelle Bedrohungsgefühl gegenüber den internationalen Truppen.
Die Rolle der Regierung bei grundlegenden Dienstleistungen wird als marginal wahrgenommen. Dies zeigt, dass der Aufbau selbsttragender staatlicher Strukturen noch in den Anfängen steckt und dass die Beachtung der lokalen Verhältnisse entscheidend ist.
Die Studie ist wichtig, denn sie gibt eine methodisch seriöse Antwort auf die Schlüsselfrage nach Wirksamkeit und Akzeptanz des internationalen Engagements in Nordafghanistan. (Die Studie ist einzusehen unter www.sfb-governance.de)