Autor: Webmaster
Datum: 1. April 2008 12:26:23 +01:00 oder Di, 01 April 2008 12:26:23 +01:00
Zusammenfassung: Winfried Nachtwei ist Mitunterzeichner einer Erklärung von Friedensforschern und Politikern, in der diese die Bundesregierung kurz vor dem Nato-Gipfel in Bukarest auffordern, die kooperative Sicherheitspolitik in Europa zu stärken und sich für eine umgehende Ratifikation des adaptierten KSE-Vertrages einzusetzen. Die "Erklärung zur Stärkung der kooperativen Sicherheitspolitik zwischen Russland und nen Nato-Staaten" findet sich hier:
Hauptteil:
Die Zukunft der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa ist ungewiss. Russland hat seit dem 12. Dezember 2007 den Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) suspendiert. Dabei geht es nicht nur um das KSE-Regime als solches, sondern um die Zukunft kooperativer Sicherheitspolitik in Europa. Das Verhältnis zwischen den USA und der NATO einerseits und Russland andererseits hat sich verschlechtert und bedarf einer Neuordnung, die im Zeitalter der Globalisierung über Europa hinausweisen würde. Ein neuer Anfang zwischen Russland und dem Westen wäre auch ein Zeichen dafür, dass die USA und das westliche Bündnis zu einer kooperativeren Sicherheitspolitik zurückkehren und Rüstungskontrolle wieder als wichtiges Steuerungsinstrument anerkennen würden.
Präsident Wladimir Putin und sein Nachfolger Dmitri Medwedew haben deutlich gemacht, dass das wiedererstarkende Russland keine weiteren Positionsverluste hinnehmen will. Sie wenden sich dabei insbesondere gegen die folgenden, aus ihrer Sicht nachteiligen Entwicklungen:
Angesichts dieser Häufung von überwiegend den Status-quo verändernden Entwicklungen fühlt sich das stärker werdende Russland benachteiligt und provoziert. Es drängt deshalb auch mit der Suspendierung des KSE-Vertrags die westlichen Staaten zu einer Korrektur und verlangt die schnelle Inkraftsetzung des AKSE-Vertrags. Präsident Putin will klären, ob die USA und die NATO zusammen mit Russland das System militärischer Zurückhaltung in Europa erhalten oder aufkündigen wollen. Dabei geht es angesichts der geplanten Stationierung amerikanischer Raketenabwehrsysteme in Europa nicht mehr nur um regionale, sondern auch um strategische Stabilität im Verhältnis zu den USA, zumal diese Abwehrsysteme strategische Aufgaben für die europäische und amerikanische Sicherheit erfüllen sollen.
Angesichts der Schwäche der Rüstungskontrollbefürworter in der US-Regierung und in Russland sowie der Gespaltenheit der europäischen Staaten sind die Aussichten für einen Kompromiss nicht günstig. Daher setzen viele darauf, die Regelung der anstehenden Probleme der nächsten US-Regierung zu übertragen. Das hat aber nur dann eine Chance, wenn es gelingt, einer weiteren Verschärfung des Konflikts vorzubeugen. Deshalb bitten wir die Bundesregierung, auf dem kommenden NATO-Gipfeltreffen im April 2008 die drei folgenden Positionen einzunehmen:
1. Keine Zustimmung zum Membership Action Plan (MAP) für Georgien und die Ukraine, solange dies den Konflikt zwischen Russland und der NATO verschärft.
In der Ukraine gibt es für einen NATO-Beitritt keine Mehrheit in der Bevölkerung, beiden Ländern droht eine politische Spaltung, wenn sie ohne eine Verbesserung der Beziehungen zwischen NATO und Russland in die Allianz aufgenommen werden. Die NATO wäre dann mit zwei Bündnismitgliedern belastet, die sie in einen Konflikt mit Russland hineinziehen könnten.
2. Keine endgültige Entscheidung über die Integration des US-Raketenabwehrprogramms in das NATO-Raketenabwehrprogramm.
An letzterem wirkt Russland mit, deshalb ist es wichtig, Zeit für weitere Gespräche zu gewinnen.
3. Umgehende Ratifizierung und Inkraftsetzung des AKSE-Vertrags.
Das käme russischen Wünschen entgegen und würde erst einmal die aus Stabilitätsgründen wichtigen Flankenbeschränkungen erhalten. Russland könnte diesen Vertrag nicht mehr suspendieren. Auf dieser Grundlage könnte dann ein Mandat für neue Gespräche über konventionelle Rüstungskontrolle verhandelt werden.
Wenn das KSE-Regime scheitert, wird die Berechenbarkeit in der europäischen Sicherheitspolitik abnehmen, das Misstrauen weiter wachsen und die sicherheitspolitische Kooperation schwinden. Die Bedeutung von Nuklearwaffen würde wieder steigen. Schließlich würde die Gefahr einer militärischen Regelung der ungelösten Konflikte in Moldau und im Südkaukasus zunehmen.
Unterzeichner:
Dr. Hans-Joachim Schmidt, Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)
Prof. Hartwig Spitzer, Universität Hamburg, Arbeitsgruppe Naturwissenschaft und Internationale Sicherheit (CENSIS)
Dr. Wolfgang Zellner, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), Leiter Zentrum für OSZE Forschung
Mitunterzeichner:
Niels Annen, Mitglied des Deutschen Bundestages, Auswärtiger Ausschuss
Prof. Michael Brzoska, Wissenschaftlicher Direktor, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH)
Dr. Peter Croll, Internationales Konversionszentrum Bonn (BICC)
Prof. Martin Kalinowski, Universität Hamburg; Carl Friedrich von Weizsäcker-Professor für Naturwissenschaft und Friedenforschung
Dr. Bernd W. Kubbig, Leiter Projektgruppe Raketenabwehrforschung International Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Privatdozent a. d. Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/M
Dr. Rolf Mützenich, Mitglied des Deutschen Bundestages, Auswärtiger Ausschuss
Winfried Nachtwei, Mitglied des Deutschen Bundestages, Verteidigungsausschuss
Uta Zapf, Mitglied des Deutschen Bundestages, Auswärtiger Ausschuss, Vorsitzende des Unterausschusses „Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung"
Anmerkungen: Der Link zur Frankfurter Rundschau, in dem die Erklärung dokumentiert ist, findet sich hier.
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: