Folgender Redebeitrag von Winfried Nachtwei zur Beratung des Antrags: Konvention zum Verbot jeglicher Streumunition zügig ratifizieren und in internationales Völkerrecht überführenwurde zu Protokoll gegeben:
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN): Die Unterzeichnung des Oslo-Abkommens hätte es verÂdient, bei Tageslicht und vor vollem Hause gewürdigt zu werden. Denn heute ist ein guter Tag: ein guter Tag für die humanitäre Rüstungskontrolle und Abrüstung und ein guter Tag für den Bundestag. Wir würdigen heute hier die Tatsache, dass annähernd 100 Staaten gestern in Oslo ein Abkommen unterzeichnet haben, das das Potenzial hat, eine ähnlich positive Wirkung zu erzielen wie das Ottawa-Abkommen zu den Anti-Personen-MiÂnen. Das Verbot gilt ab sofort, kennt also keine ÃœberÂgangsfristen. Binnen 8 - spätestens 16 - Jahren sollen alle Bestände vernichtet sein. Das Abkommen sieht auch Regelungen für die Räumung von Blindgängern und die Opferhilfe vor. Mit dem Vertrag verpflichten sich die Unterzeichner, künftig auf Einsatz, Herstellung, LageÂrung und Im- oder Export sämtlicher Streumunition zu verzichten.
Nichts ist perfekt, auch die Osloer Konvention nicht. Zu Recht wird kritisiert, dass die Hauptbesitzer dieser Waffen, wie USA, Russland oder Israel, dem AbkomÂmen nicht beigetreten seien. Wir hoffen aber und sind zuversichtlich, dass dieses Beispiel auch auf diese StaaÂten ausstrahlt und stigmatisierend wirkt. Ab heute kann kein Staat mehr Streuwaffen einsetzen, ohne dafür getaÂdelt und verurteilt zu werden - und das ist gut so.
Es kann natürlich nicht sein, dass Deutschland seine Streumunitionsbestände abschafft, andere Staaten ihre aber in Deutschland weiter lagern. Und es kann auch nicht sein, dass Deutschland an Militärmissionen teilÂnimmt, bei denen Bündnispartner - quasi in ArbeitsteiÂlung - diese Waffen zum Einsatz bringen. Dies muss die Bundesregierung im Rahmen des RatifizierungsprozesÂses explizit klarstellen. Bündnisfähigkeit darf sich nicht danach bemessen, dass man ein Auge zudrückt, wenn andere Staaten Waffen einsetzen, die grausames Leid hervorrufen und die Zivilbevölkerung über Jahrzehnte hinweg terrorisieren. Nachdem 18 Nato- und 19 EU-Staaten die Vereinbarung unterstützen, muss die BundesÂregierung dafür Sorge tragen, dass der Nichteinsatz von Streumunition zum Konsens wird.
Deutschland war - das ist richtig - im StreumuniÂtionsbereich zum Teil Vorreiter. Aber es war Vorreiter auf dem falschen Pferd, der VN-Waffenkonvention. Und dieses Pferd ritt noch dazu in die falsche Richtung. Deutschland gehörte nicht zu den Kerngruppenstaaten des Oslo-Prozesses, sondern zu den Bremsern. Wenn der Außenminister nun von einem „Meilenstein in der GeÂschichte des Völkerrechts" spricht, dann müssen wir hier festhalten, dass die Bundesregierung bis zuletzt zu den Staaten gehört hat, die versucht haben, in Dublin die Reichweite des Abkommens abzuschwächen. Schauen Sie sich die Presseberichte von damals an. Wir haben das heftig kritisiert und im Vorfeld der Dubliner Tagung im Mai hier einen Antrag eingebracht, der die BundesregieÂrung aufforderte, mit gutem Beispiel voranzugehen. HätÂten sich Außenminister Steinmeier und VerteidigungsÂminister Jung mit ihrer Position durchgesetzt, hätten wir heute ein verwässertes Abkommen, das eine umfassende völkerrechtliche Ächtung auf Jahre hinaus unwahrÂscheinlich machen würde.
Wenn es nun in der Presse heißt, Deutschland habe sich bereits 2006 zur Nichtanwendung dieser Munition und zur Vernichtung aller Bestände verpflichtet, dann stimmt genau das nicht. Im April 2006 hatten das BunÂdesministerium der Verteidigung und das Auswärtige Amt eine 8-Punkte-Position zu Streumunition vorgelegt, die vorsah, lediglich jene Streumunition aus dem BeÂstand zu nehmen, die eine größere Blindgängerrate als 1 Prozent hat und keinen Selbstzerstörungsmechanismus besitzt. Das war ein politisches Doppelspiel und humaniÂtäre Schönfärberei. Bei „zwingendem Erfordernis" - so die Bundesregierung in der Beantwortung unserer KleiÂnen Anfrage vom August 2006 - wollte die BundesÂregierung auch die Rakete M26 mit der Streumunition M77 einsetzen. Diese hat aber eine Blindgängerquote von bis zu 30 Prozent.
An dieser Stelle muss die Rolle der Abgeordneten und des Parlaments zur Sprache kommen. Die AbgeordÂneten der Regierungsfraktionen haben dem Treiben der Bundesregierung nicht nur tatenlos zugesehen, sondern das 8-Punkte-Programm im Herbst 2006 fast wortgetreu in Antragsform gegossen und hier ohne Aussprache verÂabschiedet. Eine eigene parlamentarische Handschrift war nicht zu erkennen. Kein Abgeordneter war bereit, den Antrag namentlich zu verantworten. De facto war der Antrag „Gefährliche Streumunition verbieten" ein parlamentarisches Beglaubigungsschreiben zur RegieÂrungspolitik. Mehr noch: Abgeordnete der SPD und der Union forderten vor zwei Jahren damit die BundesregieÂrung wortwörtlich auf, „den Einsatz von Streumunition dann vorzusehen, wenn geeignete alternative Munition nicht verfügbar ist". Ich empfand das beschämend, beÂschämend für alle Abgeordnete in diesem Haus. Dies ist das einzige mir bekannte Beispiel, in dem Abgeordnete die Regierung explizit autorisieren, bestimmte Waffen einzusetzen.
Wenn ich nun davon spreche, dass der heutige Tag auch ein guter Tag für den Bundestag ist, dann deshalb, weil nun auch einige Abgeordnete der RegierungsfrakÂtionen, namentlich der Kollege Weigel und der Kollege Freiherr zu Guttenberg, bereit waren, gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen wie dem AktionsbündÂnis Landmine.de oder Handicap International - DeutschÂland auf die Bundesregierung einzuwirken; mit Erfolg. Weil ich weiß, wie mühselig es als Abgeordneter ist, die Regierung zu einem Umdenken zu bewegen, gebührt IhÂnen und Ihren Mitstreitern hier mein Dank und meine aufrichtige Anerkennung.
Sie legen uns vonseiten der Koalitionsfraktionen heute einen Antrag vor, den wir über weite Strecken für gut und richtig halten. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Bundesregierung dieses Abkommen züÂgig zur Ratifizierung vorlegt und Deutschland rasch streumunitionsfrei wird. Lassen Sie uns gemeinsam daÂfür sorgen, dass anderen Staaten bei der Räumung und Vernichtung sowie Opfern bei Fürsorge und ReintegraÂtion geholfen wird. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass wir im Bundeswehrarsenal keine neuen Waffen beschaffen, die ähnlich verheerende Folgen wie Streumunition verÂursachen.
Ihr Antrag stimmt uns optimistisch, dass wir am selÂben Strang und in dieselbe Richtung ziehen. Die BündÂnisgrünen haben daher heute auf einen eigenen Antrag verzichtet. Wir stimmen dem Antrag der KoalitionsfrakÂtionen zu.
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Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: