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Sicherheitspolitik und Bundeswehr + Demokratie + Bericht von Winfried Nachtwei
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Zum Stutthof-Prozess II: Zu "Lebens"bedingungen + direkter Vernichtung, Transporten aus Riga, Erinnerungen von Stutthof-Ãœberlebenden, Juristische Ahndung

Veröffentlicht von: Nachtwei am 19. November 2018 19:02:36 +01:00 (29736 Aufrufe)

Über rund 50 Jahre war das KZ Stutthof hierzulande weitestgehend unbekannt, erst Recht das Schicksal der Stutthof-Häftlinge, unter ihnen viele, Ende 1941 nach Riga deportierte jüdische Menschen aus Westfalen, Rheinland, Berlin etc. Hier Einblicke in die extreme Lagerrealität - und eine Übersicht über die spärliche Strafverfolgung der dortigen Menschenschinderei und Menschenvernichtung. Von 3000 SS-Leuten dort kamen fünf vor ein bundesdeutzsches Gericht! Der Prozess jetzt eine Chance der Erinnerung nach Jahrzehnten des Wegsehens + Verdrängens.

Zum Stutthof-Prozess (II)

Materialien zu Lebensbedingungen + direkter Vernichtung, Transporten von Riga, Erinnerungen von Stutthof-Überlebenden, Strafverfahren

Winfried Nachtwei, MdB a.D. (19.11.2018)

Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei

Lebensbedingunge der Häftlinge und unmittelbare Vernichtung

(aus: Janina Grabowska, K.L. Stutthof: Ein historischer Abriß, in: Hermann Kuhn (Hg.), Stutthof – Ein Konzentrationslager vor den Toren von Danzig, Edition Temmen, Bremen 1995, S. 8-94; ergänzend aus: Andrej Angrick/Peter Klein, Die „Endlösung“ in Riga. Ausbeutung und Vernichtung 1941-1944, Darmstadt 2006, S. 430 ff.)

Die Lebensbedingungen der Konzentrationslager waren insgesamt darauf ausgerichtet, die Frauen und Männer auf dem schnellsten Wege zum psychischen Zusammenbruch, zur Erschöpfung ihrer körperlichen Kräfte und in der Konsequenz zu ihrer Vernichtung zu bringen. Stutthof gehörte zu den Lagern, in denen sehr schwere Lebensbedingungen herrschten.“ (S. 38)

„Das Alltagsessen sah so aus: Zum Frühstück ½ Liter Malzkaffee ohne Zucker und eine Scheibe Lagerbrot (ungefähr 100 g) aus dem schlechtesten Mehl, mit Resten von Spänen, Kleie und verschiedenen Abfällen; dazu etwas Margarine, Schmelzkäse oder Rübenmarmelade, ab und zu eine Scheibe Pferdewurst. Zum Mittagessen gab es einen Liter wässerige Suppe ohne Fett, die aus faulendem, erfrorenem Gemüse gekocht war, meistens waren es Rüben. Kohlrüben oder Kartoffeln, die nicht richtig vom Sand gereinigt waren. Das Abendbrot war dem Frühstück ähnlich. Der Nährwert lag zwischen 600 und 19000 Kalorien pro Tag.“ (S. 41)

(Arbeit) Bei dieser Verpflegung mussten die Häftlinge harte Arbeiten ausführen. Der Kalorienverbrauch für einen körperlich arbeitenden Menschen beträgt 4500 Kalorien pro Tag. Die Häftlinge erhielten etwa 20% dieser Menge, wobei sie 11-12  Stunden arbeiteten. , also wurde die mangelnde Energiezufuhr aus der Substanz des Körpers ersetzt. Auf diese Weise musste der Mensch in zwei bis drei Monaten vor Erschöpfung umkommen. Die Häftlinge, im Zustand restloser Erschöpfung, wurden „Muselmänner“ oder „Krippel“ genannt. Der ehemalige Häftling B. Tuszkowski  berichtet: „Starke, gesunde Menschen wurden in kurzer Zeit zu Krippeln.  (…) Die Krippeln waren wandelnde Leichen, und doch wurden sie noch zur Arbeit gezwungen. (…) Die Krippeln sahen schrecklich aus: Schmutzig und vom Hunger und den Schlägen angeschwollen. (…)“

Außer Hunger, Schmutz, Kälte dem Ungeziefer und der Unmöglichkeit, sich einmal auszuruhen, lastete auf den Häftlingen die dauernde Angst um da weitere Schicksal, die Furcht vor Schlägen und Misshandlungen. (…)“ (S. 42)

(Enormer Anstieg der Häftlingszahl ab Juli 1944) „Das noch in der Erweiterung befindliche  Lager war absolut nicht darauf vorbereitet, die großen Mengen von Häftlingen aufzunehmen, die in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 in Stutthof eingeliefert wurden. Die ankommenden Judentransporte wurden in unfertigen Barracken untergebracht, die ohne Fußboden und manchmal auch ohne Dächer waren. (…) Die ankommenden Menschen waren körperlich sehr erschöpft, weil sie schon vorher in Lagern und Ghettos eingesperrt gewesen waren und dann einen weiten Weg hatten zurücklegen müssen. (…) In den Transporten, die im Juli aus Kaunas ankamen, befanden sich Mütter mit kleinen Kindern.“ (S. 45) Die Männer wurden von ihren Frauen, die Mütter von ihren Kindern getrennt.

(Weibliche Häftlinge) „Bald begann man die Jüdinnen in Arbeitskommandos einzugliedern und in die Außenlager zu versetzen. Sie arbeiteten in Fabriken, an der Bahn, beim Bau von Kriegsbefestigungen und Flugplätzen, bei deutschen Bauern. Sie wurden zu schweren Arbeiten gezwungen, die ihre Kräfte überstiegen, was bei unzureichender Verpflegung und schlechten Lebensbedingungen schnell zu körperlicher Erschöpfung und Krankheiten führte. Die Arbeitsunfähigen wurden entweder auf er Stelle ermordet (durch Injektionen oder Erschießung) oder zurück nach Stutthof geschickt, wo sie auch er Tod erwartete. Balis Sruoga hat das Aussehen der ins Lager zurückkehrenden Frauen beschrieben: „Zur Arbeit weggegangen waren sie noch ziemlich gesund (…); und als Gespenster kehrten sie zurück. Die krummen und verkrampften Frauen zogen in größter Mühe, mit blauädrigen geschwollenen Beinen voran. Sie waren so ausgehungert und Elend, dass man bei ihrem Vorbeiziehen ein Klappern hörte, als wenn man einen Sack voller Knochen über das Kopfsteinpflaster ziehen würde.“ Die Gespensterfrauen wurden ins jüdische Krankenrevier eingeliefert, in den Block 30, der ´Stinksaal` oder ´Ausrottungssaal` genannt wurde. (…) ´Der Block bestand aus einem großen Raum und einer kleineren Stube mit Pritschen. Auf den Pritschen lagen Frauen, die noch auf eigenen Beinen stehen konnten und nicht benässten. Die anderen saßen oder lagen auf der Erde im großen Raum. Sie verfaulten dort buchstäblich auf ihren eigenen Exkrementen. Wenn das Essen in die Baracke gebracht wurde, haben die Stubenältesten jede einzelne mit den Füßen getreten, um zu prüfen, ob sie sich noch rührte. Es war nämlich schwierig, die Leichen von den Lebenden zu unterscheiden. ` Der körperliche Zustand der jüdischen Frauen wird eindrucksvoll von Aldo Coradello beschrieben: „Im Oktober 1944 wurde heimlich eine an Typhus verstorbene, junge, 34-jährige Jüdin, eine große, normal entwickelte Mutter von zwei Kindern, gewogen. Sie wog 19 kg.“

(Fluchtversuche) Viele Häftlinge, die die Lebensbedingungen im Lager nicht mehr ertragen konnten, versuchten zu fliehen. Leider ist es fast nie gelungen. Das Lager Stutthof lag außerordentlich ungünstig. Auch wenn es einigen gelang, durch die Lagerdrähte zu kommen und mit viel Glück an der Außenposten-Kette vorbei, mussten sie mit vielen gut bewachten Gewässerhindernissen rechnen.  Und sich im Klaren darüber sein, dass sie von der örtlichen Bevölkerung keine Hilfe erwarten konnten, eher eine feindliche Einstellung.“ (S. 46)

(Gesundheitszustand) „Verbreitet war die ansteckende Ruht, die in kurzer Zeit zur Entwässerung und dadurch zur Schwächung des Körpers führte. Nicht ausgeheilt hat sie unter Lagerbedingungen oft zum Tode geführt. Im Winter bei hohem Frost kam es häufig zu Erfrierungen, Erkältungen, Angina, Lungenentzündung, Nierenentzündungen, Gelenkentzündungen u.ä. Auch Tuberkulose war verbreitet. Infolge von Unterernährung und Vitaminmangel war das Immunsystem der Häftlinge gegen Infektionen und Ansteckungen sehr geschwächt. Sie litten an Vereiterungen, Geschwüren, Skorbut und vor allem Phlegmonen, einer sehr verbreiteten Vereiterung, hauptsächlich an den Beinen. Die häufigen Schläge führten zu nur langsam heilenden Wunden, oft mit Gangände und allgemeiner Infektion.

Charakteristisch war die Hungerkrankheit als letzte Stufe der permanenten Unterernährung. Ihre Anzeichen waren allgemeiner Kräfteverlust, Apathie, psychische Störungen und Gedächtnisverlust. Am gefährlichsten waren der Typhus und andere besonders ansteckende Krankheiten, denn wegen der schrecklichen Lagerbedingungen entwickelten sie sich sofort zu Epidemien, die die Häftlinge dezimierten. Besonders gefährliche Typhusepidemien brachen Mitte 1942, im Frühjahr 1943, im November 1944 und März 1945 in Stutthof aus. Alles, was die SS tat, um sie einzudämmen, war unzulänglich und erfolglos. Es beschränkte sich darauf, die Häftlinge zu isolieren und sich selbst vor Ansteckungen zu sichern.“ (S. 58)

(Sterblichkeit) „Als Folge der schrecklichen Lebensbedingungen im Lager und besonders im Krankenrevier war die Sterblichkeit groß. Allein anhand fragmentarisch erhaltener Dokumente kann festgestellt werden, dass z.B. im Jahre 1942 täglich 4 bis 5 Häftlinge im Krankenrevier und 1 bis 2 im Lager ums Leben kamen. Für Ende 1943 betragen diese Zahlen 10-12 Todesfälle im Krankenbau und 5 bis 6 im Lager. Dagegen stieg die Sterblichkeit  Ende 1944 gewaltig an; im Monat November starben 1.459 Menschen, im Dezember fast 3.000 und bis zum 20. Januar 1945 weitere 4.000 und mehr; die meisten davon durch Arbeit 7und Hunger entkräftete Jüdinnen.“ (S. 60)

Unmittelbare Vernichtung

„In den Konzentrationslagern, Stutthof eingeschlossen, wurde die Nazi-Idee der Vernichtung ihrer politischen Gegner und der sogenannten „unerwünschten Elemente“ durchgeführt. Das geschah nicht nur durch unmenschliche Lebensbedingungen und schwere Arbeit, also auf mittelbarem Wege, sondern auch durch direkte, gewaltsame Vernichtung. Durch erhaltene Dokumente und Aussagen ehemaliger Häftlinge ist bekannt, dass es mehrere Arten des Mordens gab. Zu den oft angewandten gehörten die Erschießung, das Hängen, Genickschuss, Phenol-Injektionen (ins Herz oder in die Adern), Erschießung während der Flucht, Vergasung in Gaskammern mit Zyklon B. Es kam auch vor, dass Häftlinge durch Hunde totgebissen wurden oder an Verwundungen verblutet sind, dass sie erwürgt oder ertränkt wurden. Hier können auch die Selbstmorde hinzugerechnet werden, wie der Tod als unmittelbare Folge von Schlägen und Misshandlungen. Jeder Häftling war von Anfang an ständigen Schlägen ausgesetzt. Diese Strafen führten die SS-Leute selbst oder die ihnen unterstehenden Funktionshäftlinge aus. In krassen Fällen sind Häftlinge, nachdem sie mit „Bullenpesern“, Knüppeln und Peitschen geschlagen oder it schweren Stiefeln getreten worden waren, in ein bis zwei Tagen gestorben. Dann wurde die Todesursache in den Lagerdokumenten gefälscht, indem z.B. „Herzschwäche, Herzschlag“ in die Akten eingetragen wurde. (…)

Die ersten Gruppenexekutionen auf Grund eines polizeilichen Standgerichtes wurden am 11. Januar und 22. März 1940 vollstreckt. Es wurden damals zuerst 22 und später 67 aktive Mitglieder der polnischen Organisationen aus der Freien Stadt Danzig erschossen. Das geschah im Wald in der Nähe des Lagers (…). In den Jahren 1942-1944 häuften sich die Einlieferungen von Häftlingen mit Todesurteilen von Sondergerichten  und Standgerichten. , meist wegen politischer Tätigkeit der Verurteilten. In der Korrespondenz zwischen der Gestapo und er Lagerverwaltung wurde die Todesstrafe zur Täuschung als „Sonderbehandlung“ bezeichnet. Nach der Vollstreckung des Todesurteils schrieb man in die Lagerakten den Buchstaben „E“ und gab die Art der Exekution an (…). (S. 61)

Unter den vielen Opfern befanden sich polnische und sowjetische Partisanen, sowjetische Kundschafter und Fallschirmspringer.“ (S. 62)

Im Krankenhaus wurden systematisch Häftlinge getötet. Opfer dieser Morde waren schwerkranke und völlig entkräftete Menschen, die nicht mehr zur Arbeit geeignet waren und deren Genesung zu viel Mühe kosten würde. Der Mordbefehl, unter dem Decknamen „T4“, was Euthanasie bedeutete, wurde schon 1940 gegeben. Für seine Anwendung war der Leiter des Krankenreviers, Otto Haupt verantwortlich. (…) Die ausgesonderten Kranken wurden durch Phenol oder Sublimat getötet, in die Adern oder ins Herz gespritzt. (…) Durch Injektionen – von den Häftlingen „Einpieken“ genannt – hat man auch Physisch oder psychisch Behinderte gemordet, sowohl Personen, die schon in solchem Zustand ins Lager kamen, wie auch solche, die erst im Lager krank wurden. (..) Eine andere Art der Ermordung von Kranken war das Ertränken, indem man die Opfer solange in der Badewanne unter Wasser hielt, bis es kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Das geschah meistens mit Häftlingen, deren Behandlung mühselig war (z.B. Durchfall oder Ruhr). (…) Eine besondere Art des Tötens war das „Bad“ (oder die „Brause“), unter anderem gegen Tbc-Kranke. Sie wurden nackt – auch bei Frost – vors Bad gestellt, manchmal für mehrere Stunden. Dann wurden sie abwechselnd mit kaltem und heißem Wasser „gebadet“, um dann wieder nackt weiter zu stehen. Diese Methode hat die Reigen der Kranken dezimiert.“ (S. 63)

„Im zweiten Halbjahr kamen über 47.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder nach Stutthof.

Erste Selektionen geschahen direkt nach Ankunft. Am 26. Juli ging ein Transport mit 1423 Personen nach Auschwitz, a 10. September ein zweiter mit 603 Personen. Die übrigen jüdischen Häftlinge, vornehmlich Frauen, wurden zu schweren Arbeiten gezwungen, im Hauptlager wie in den Außenlagern. Nachdem ihre Arbeitskraft ausgebeutet war, wurden sie zu Opfern von Selektion und Massenmorden. Diese Aktionendauerten von Juli bis September 1944 an. Die Selektionen fanden auf dem Gelände des Judenlagers statt, während der stundenlangen Appelle. Der Führer dieses Lagerteils, Ewald Foth, wählte zusammen mit Knott, Haupt,  und Dr. Heidl die zum Tode Bestimmten aus. (…) Der Selektion unterlagen hauptsächlich kranke und entkräftete Frauen. Manchmal hat E. Foth den Zustand der Beine als Hinweis auf den Gesundheitszustand genommen, dann hat er Wettrennen befohlen. Die schwächeren Frauen, die nicht schnell genug laufen konnten, gingen in den Tod. Er wählte auch schwangere Frauen und solche, die kurz zuvor eine Geburt überstanden hatten, aus, weil er sie als arbeitsunfähig ansah. Rücksichtslos wurden alle neugeborenen Kinder der jüdischen Frauen zum Tode verurteilt.

Die Tötung der ausgesonderten Frauen geschah durch „Spritzen“, Genickschuss oder Vergasung. Der ehemalige Häftling Leon Duszynski sagte im Prozess gegen die Verbrecher aus: „Die Liquidierung der jüdischen Frauen hat in einem der Räume des Krematoriums stattgefunden. Dort waren nur zwei SS-Männer anwesend. Am Tisch saß der mit einem weißen Arztkittel verkleidete Rapportführer Chemnitz, und am Fenster stand Foth (…). Am Ende des Lagers, in einer Entfernung von etwa 100 Metern, saß eine größere Gruppe von Frauen. Sie sahen alt und elend aus. Ein unter ihnen stehender SS-Mann machte ein biederes Gesicht und verhielt sich wie ein anständiger Mensch, er tröstete sie. Er versicherte ihnen, dass sie zu leichter Arbeit geschickt würden. Nach einer Weile würden sie vor eine Ärztekommission gestellt, aber das sollte nur eine Formalität sein. Als er das Signal erhalten hatte, dass alles bereit sei, führte er sie der Reihe nach vor und ermunterte sie dabei,, sie möchten zeigen, dass sie kräftig seien. Den letzten Abschnitt des Weges bewältigten die Frauen selbständig. Wenn eine von ihnen den Raum erreicht hatte, fragte Chemnitz sie nach ihrem Namen und hakte sie auf der Liste ab. Dann führte er sie zur Messlatte, um ihre Größe zu messen. Als die Opfer mit dem Rücken zum Fenster standen, trat Foth an sie heran und gab einen Genickschuss ab. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, die ins Krematorium führte, und vier Häftlinge sprangen schnell hinzu und schafften den Körper hinaus.“ (S. 64/5)

(Vergasungen) Bei einer Besprechung des Lager Kommandanten Hoppe mit dem Chef der Amtsgruppe D des Wirtschaftsverwaltungshauptamtes in Oranienburg, SS-Gruppenführer Richard Glücks im August 1944 wurde beschlossen, Häftlinge in der Kleiderentlausungsanlage in Stutthof mit Zyklon B zu vergasen. Die Vorbereitungen dazu waren im September abgeschlossen. Dr. Heidl, Schutzhaftlagerführer Meier, Rapportführer Chemnitz – zuständig für das Männerlager – und E. Foth – zuständig für das Frauenlager – selektierten die arbeitsunfähigen Juden aus. Klara Bender, eine Überlebende:

„In Stutthof wurde selektiert, mehrmals in der Woche. Wir Häftlinge mussten antreten. Dann kamen mehrere Angehörige der SS, männliche und weibliche. Es wurden immer die kranken und schwachen Häftlinge ausgesondert, die dann ins Krematorium kamen. (…) Wir, die nicht ausgesondert waren, hatten mal weder Glück gehabt. Was heißt schon krank und schwach. Ich hatte dort in Stutthof noch 35 Kilo aufzubieten. Mit diesen 35 Kilo habe ich noch überlebt. Versuchen Sie sich vorzustellen, wie die aussehen, die ausgesondert wurden.“ (Angrick S. 437)  Vor dem Vergasungsraum: „Häftlinge warfen sich vor ihren Peinigern zu Boden, flehten um ihr Leben und sagten, dass sie auf jeden Fall arbeiten könnten. Andere vermochten nur noch zu schreien oder weinen, während weitre stumm apathisch vor dem Ort des Grauens dalagen. Einige fanden in der Religion Halt und sangen Lieder, mit denen sie kurz vor dem Betreten der Mordstätte ihren Glauben, der ihnen hoffentlich Trost zu spenden vermochte, manifestierten. In kleineren Gruppen von 25 bis 35 Personen, unter denen sich auch Häftlinge befanden, die Kaiserwald (KZ in Riga) überlebt hatten, trieben Angehörige des Lagerpersonals die ausselektierten Menschen zur Gaskammer. (…) Einige wehrten sich, den Vergasungsraum zu betreten und mussten von den SS-Wächtern hineingedrängt werden. (…) Anschließend kletterte ein SS-Angehöriger auf das Dach  und setzte sich eine Gasmaske mit Sonderfolter gegen Blausäure auf. Auf dem Dach wurden dann Zyklon-B-Dosen (…) mit einem Büchsenöffner geöffnet und deren Inhalt durch einen Schacht geschüttet. (…) Der auf dem Dach des Krematoriums stehende Täter – so Otto Knott selbst vor Gericht – hörte dann durch den verschlossenen Schacht ein „Rumpeln“, welches kurze Zeit anhielt.

Wenn nach ca. zwei Stunden die Tür zur Kammer wieder geöffnet wurde, um diese zu „entlüften“ und die Leiche herauszuschaffen, bot sich ein grausamer Anblick. Die Menschen hatten sich in höchster Not die Haare ausgerissen und die Körper zerkratzt. Einige, die näher am Schacht gestanden hatten, mögen schneller gestorben sein; andere dürften dagegen noch den Todeskampf ihrer Leidensgenossen mitverfolgt haben. Bevor sie selbst starben, hatten sich ihre Körper verkrampft und häufig ineinander verschlungen. Der Anblick der verfärbten und zerkratzten Leichen war so entsetzlich, dass es, wenn die Türen zur Kamer wieder geöffnet wurden, selbst für die Täter kaum zu ertragen war. Ein Häftlingskommando zerrte die Leichen über einen Bretterweg – welcher quasi als „Straße“ fungierte – von der Gaskammer zum Krematorium, wo diese unter Zuhilfenahme großer zweispitziger Gabeln in de Öfen gestapelt und dann verbrannt wurden.“ (Angrick S. 438)

Als sich das Geheimnis um die umgewandelte Entlausungsanlage nicht aufrechterhalten ließ und deshalb Häftlinge vermehrt Widerstand gegen das Hintreiben in die Kammer leisteten, verfiel die Lagerleitung auf die Idee, eine weitere Hinrichtungsstätte in Betrieb zu nehmen. Es handelte sich um einen umgebaute Eisenbahnwaggon, der auf einem Nebengleis der Bahnstrecke Danzig-Steegen stand. Er war abgedichtet und auf dem Dach ein Einschüttrohr für Zyklon B eingesetzt worden. Aus Tarnungsgründen stand neben ihm ein weiterer volkkommen gewöhnlicher Waggon, manchmal auch eine Lokomotive, damit man glauben sollte, dass diese Kurzbahn wirklich in Betrieb sei. Ein SS-Angehöriger in Eisenbahneruniform hielt sich in der Nähe der Waggons auf und verfügte über eine Signalpfeife der Reichsbahn. So sollte den Opfern suggeriert werden, dass es sich um einen wirkliche n  Zug handelte, der sie zur Kartoffelernte nach außerhalb bringen werde. Nachdem diese den Todeswagen betreten hatten, wurde dieser verriegelt. Ein SS-Angehöriger, ebenfalls in eine Eisenbahneruniform und geschützt durch eine Gasmaske, trat auf das Dach des Waggons und schüttete den Inhalt der Dosen durch die Öffnung.“ (Angrick S. 439)

„Es kam auch vor, dass Häftlinge bei „passender Gelegenheit“ von besonders abgerichteten Schäferhunden zerfleischt wurden. Selbst SS-Angehörige gaben unumwunden zu, dass Hundeführer die Tiere „spaßeshalber“ auf die Häftlinge der Außenkommandos hetzten, die von der Arbeit ins Außenlager zurückkehrten, um „die Häftlinge ein bisschen munter“ zu machen.“ (Angrick S. 440)

Transporte von Riga nach Stutthof

Im August 1944 begann die Evakuierung der Konzentrationslager und Kasernierungen in Riga und im baltischen Raum nach Westen.

Am 6. August verließen zwei erste Transporte Libau, die Ostsee-Hafenstadt im Westen von Riga. Am 9. August wurden in Stutthof zwei Transporte mit 6.382 und 450 Häftlingen registriert.

Am 23. August traf ein dritter Transport mit 4.408 Häftlingen und

am 1. Oktober ein vierter mit 3.155 Häftlingen in Stutthof ein.

Von den insgesamt 14.395 Personen dieser Transporte  waren 1.757 jüdische Menschen, die  in 25 Transporten ab  Ende 1941 aus dem „Großdeutschen Reich“ in das Ghetto Riga deportiert worden. (Sie sind aufgelistet in den zwei Bänden des „Buches der Erinnerung – Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden“, bearbeitet von Wolfgang Scheffler und Diana Schulle, hrsg. vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dem Deutschen Riga-Komitee u.a., München 2003)

Von den 1.031 Deportierten des „Bielefelder Transports“(aus Münster(land), Osnabrück, Bielefeld) sind laut „Buch der Erinnerung“

- 33 in Stutthof gestorben (dokumentiert mit Todesdatum): u.a. Marianne Beer/Rheine, Fanny Blumenthal/Münster, Irma Buchholz/Bielefeld, Charlotte Pins/Dülmen, Else und Hermann Scheuer/Münster, Julius Seelig/Coesfeld, Hannelore und Herta Stein/Borkhorst, Frieda Steinweg/Münster, Berta und Grete Wolff/Dülmen,

- 82 ab Stutthof verschollen (Ankunft in Stutthof als letztes Lebenszeichen),

- 29 von Stutthof weiter transportiert (oft nach Buchenwald) und dort umgekommen.

  42 haben Stutthof und ggfs. weitere Leidensstationen überlebt.

Erinnerungen von Riga-Stutthof-Überlebenden

- Jeanette Wolff, geb. 1888 in Bocholt, Dortmunder Transport, 1952-1961 Bundestagsabgeordnete der SPD (Kuhn, Stutthof, S. 133-137). In Stutthof  09.08.1944 bis Januar 1945,  Häftlingsnummer J 51566

- Gerda Gottschalk, geb. 1919 in Leipzig, Leipziger Transport (Kuhn, Stutthof, S. 138-141, aus: Gerda Gottschalk, Der letzte Weg). In Stutthof  09.08.1944 bis 10.11.1944, Häftlingsnummer 60743

- Gertrude Schneider, geb. in Wien, Wiener Transport (Kuhn, Stutthof S. 146-149). In Stutthof + Außenlagern 09.08.1944 bis 10.02.1945, Häftlingsnummer J 61811

- Erna Valk, geb. 1905 in Goch/Niederrhein, Düsseldorfer Transport (Kuhn, Stutthof  S. 149-151). In Stutthof + Außenlagern 09.08.1944 bis Januar 1945, Häftlingsnimmer J 62115

- Josef Katz, geb. 1918 in Lübeck, Hamburger Transport (Kuhn, Stutthof, S. 159-162, aus: Josef Katz, Erinnerungen eines Überlebenden, Kiel 1988, S. 198 ff.). In Stutthof  01.10.1944 bis Januar 1945, Häftlingsnummer J 95976

- Max Kaufmann, geb. 1905 in Riga (Kuhn, Stutthof, S. 163-166). In Stutthof  01.10.1944 bis 03.11.1944, Häftlingsnummer J 96046

- Irmgard Ohl, geb. Heimbach, geb. 1927 in Laer, Bielefelder Transport/Osnabrück („Vier Jahre hinter Stacheldraht“, in: Peter Junk, Martina Sellmeyer, Stationen nach Auschwitz, Bramsche 1988, S. 197 ff.). In Stutthof  01.10.1944 , Häftlingsnummer 94479

- Ewald Aul, geb. 1926, Bielefelder Transport/Osnabrück („Alle nur erdenklichen Grausamkeiten“, in: Junk/Sellmeyer, S. 196/7)

- Herta Salomon, geb. 1924 in Drensteinfurt, Bielefelder Transport/Münster („Mein Lebenslauf“, 01.01.1988)

- Ruth F. geb. Heilbronn, aufgewachsen in Lingen, Bielefelder Transport/Osnabrück (Bericht einer Überlebenden, Tonbandmitschnitt 16.07.1991)

Strafrechtliche Ahndung (nach Janina Grabowska, K.L. Stutthof – ein historischer Abriß, S. 91 ff.)

(1) in Polen

„Bald nach der Befreiung begannen die polnischen Behörden die Beweise für die in Stutthof begangenen Verbrechen zusammenzutragen. (…) Zugleich wurden die Besatzungsmächte in der amerikanischen, englischen und französischen Zone Deutschlands aufgefordert, die dort festgenommen Mitglieder der Stutthofer SS-Mannschaft auszuliefern.

Der erste Prozess fand am 25. April bis zum 1. Juni 1946 vor dem Sonderstrafgericht in Danzig statt. Angeklagt waren: 1 SS-Mann, 6 SS-Aufseherinnen und 7 Funktionshäftlinge.

Das Gericht verurteilte den SS-Oberscharführer Johann Paulus und die SS-Aufseherinnen Wanda Kleff, Gerda Steinhoff, Elisabeth Becker, Eva Paradies sowie Jenny Barkmann zum Tode. Die Funktionshäftlinge, die den SS-Leuten bei ihrem Mordhandwerk zur Hand gingen, wurden ebenfalls zum Tode verurteilt: (…) Diese Urteile wurden am 4. Juli 1946 öffentlich in Danzig vollstreckt. (zwei Urteile mit Gefängnisstrafen)

Ein weiterer großer Prozess fand vor dem Bezirksgericht in Danzig vom 8. Bis 31. Oktober statt. Angeklagt waren 25 SS-Männer und ein Funktionshäftling. An seinem Ende wurden folgende Personen zum Tode verurteilt: SS-Hauptsturmführer Theodor Meyer – Leiter der III. Abteilung im Lager -,SS-Oberscharführer Ewald Foth  - Kommandant des Judenlagers -, SS-Oberscharführer Albert Paulitz, SS-Unterscharführer Fritz Peters, SS-Oberscharführer Hans Rach, SS-Rottenführer Karl Zurell, SS-Unterscharführer Kurt Dietrich, SS-Rottenführer Karl Eggert, SS-Rottenführer  Paul Wellnitz und der Kapo Alfred Nickolaysen. Auch diese Urteile wurden vollstreckt.  (andere 14 Angeklagte zu Gefängnisstrafen zwischen lebenslänglich bis 3 Jahren)

In zwei weiteren Prozessen standen vom 5. Bis 10. November und 19. Bis 29. November 1947 39 SS-Männer und ein Funktionshäftling vor demselben Gericht. Die Urteile lauteten einmal lebenslänglich sowie auf Gefängnisstrafen von 7 Monaten bis zu 15 Jahren.

Im Jahr 1949 verurteilte das Gericht in Thorn den Kommandanten des Außenlagers bei der Organisation Todt, SS-Hauptsturmführer Hans Jacobi, zu 3 Jahren Gefängnis, und ein Danziger Gericht im Jahr 1953 den SS-Mann Hans Bielawa zu 12 Jahren.“ (Grabowska S. 92)

(2) In der Bundesrepublik Deutschland

„Keiner der Kommandanten des Lagers Stutthof stand vor einem polnischen Gericht. Der SS-Hauptsturmführer Max Pauly, der zuletzt von 1942 an Kommandant des KL Neuengamme gewesen war, wurde zusammen mit anderen Mitgliedern der Besatzung dieses Lagers in Hamburg in der Zeit vom 18. März bis 3. Mai 1946 vor Gericht gestellt. Die Anklage umfasste jedoch nicht die in Stutthof begangenen Verbrechen. Pauly wurde wegen der Verbrechen im Lager Neuengamme zum Tode verurteilt und am 5.Oktober hingerichtet.

Der zweite Kommandant des Lages Stutthof, SS-Sturmbannführer Paul Werner Hoppe, stand 1955 in Bochum vor Gericht. Zunächst wurde er zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, im Revisionsprozess wurde die Strafe auf neun Jahre erhöht. 18 Monate vor Ablauf seiner Strafe wurde er entlassen.

Im Jahre 1957 stand der Sanitäter, SS-Unterscharführer Otto Knott, der der Ermordung von Häftlingen in der Gaskammer beschuldigt wurde, vor einem bundesdeutschen Gericht. Das Gericht verurteilte ihn zu 3 Jahren und 3 Monaten Gefängnis.

Im Jahre 1964 fand in Tübingen ein Prozess gegen den Chef des Krankenreviers, SS-Hauptscharführer Otto Haupt, den Funktionär der Politischen Abteilung, Bernhardt Lüdtke, sowie abermals gegen den Sanitäter Otto Knott statt. Die Urteile des Gerichts waren bedeutend milder als die Anträge des Staatsanwalts. Otto Haupt wurde zu 12 und Bernhardt Lüdtke zu 8 Jahren Gefängnis verurteilt. Otto Knoll wurde in diesem Prozess freigesprochen. Beiden Verurteilten wurde die Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet. In keinem der beiden Prozesse, weder in Bochum noch in Tübingen, lud das Gericht Zeugen aus Polen.

1955 wurde in Bochum eine Untersuchung gegen den Hauptarzt des Lagers, Dr. Otto Heidl, eingeleitet. Er beging im Gefängnis Selbstmord.

Über zehn Mitglieder der SS-Mannschaft von Stutthof sind in anderen Prozessen zur Verantwortung gezogen worden, da sie außer in Stutthof auch in anderen Lagern eingesetzt waren.

Zusammenfassend

Die Gesamtzahl der Häftlinge, die vom 2. September 1939 bis zum 25. Januar 1945 durch das Lager Stutthof gegangen sind, liegt bei über 110.000 bis 120.000. „Der Nationalität nach waren es: Belgier, Weißrussen, Dänen, Deutsche, Engländer, Esten, Finnen, Holländer, Italiener, Juden, Kroaten, Litauer, Letten, Norweger, Österreicher, Polen, Serben, Slowaken, Spanier, Tschechen, Ukrainer, Ungarn und Zigeuner.“ (27) Zwischen dem 29. Juni und 14. Oktober 1944 trafen in Stutthof allein 26 große Transporte mit 47.109 jüdischen Häftlingen an.

(Mordopfer) In der Zeit vom 2. September 1939 bis zum 9. Mai 1945  kamen über 67.000 Stutthof-Häftlinge im Großraum Stutthof ums Leben, von ihnen etwa 18.000 auf den Evakuierungsmärschen ab 25. Januar 1945. Von den Deportierten des Bielefelder Transports verloren hier über 110 ihr Leben. Da mehrere jüdische Transporte und Einzelpersonen direkt nach ihrer Einlieferung ermordet und gar nicht erst registriert wurden, ist anzunehmen, dass die tatsächliche Opferzahl in Stutthof um 10. bis 20.000 höher liegt.

Die SS-Mannschaft in Stutthof umfasste Ende 1942 130 Offiziere, 81 Unteroffiziere und 464 SS-Männer, insgesamt 558 gegenüber 1.855 Häftlingen. Die höchste Personalstärke wurde im September 1944 mit 1.100 Personen, davon 900 in der Wachmannschaft erreicht. (bei etwa 33.000 Häftlingen Anfang November 1944 im Hauptlager Stutthof, etwa 24.000 Häftlingen in den Außenlagern)

Insgesamt waren in Stutthof etwa 3.000 SS-Leute. Von ihnen sind mehr als 2.000 namentlich bekannt.

(Gerichtliche Ahndung) Insgesamt stellte man in den Prozessen, die das KZ Stutthof  betrafen, 72 SS-Männer und 6 Aufseherinnen vor Gericht.“ (Grabowska S. 93)

Von ihnen kamen 2,6% vor Gericht, in der Bundesrepublik fünf (0,16%). Letztere wurden zu vier Gefängnistrafen verurteilt.

Mit anderen Worten: Die Menschenquälerei und Massenmorde im KZ Stutthof blieben in der Bundesrepublik Deutschland nahezu straflos. Sie wurden zudem über viele Jahrzehnte vergessen und verdrängt – und sind auch heute kaum bekannt.

Vor diesem Hintergrund kommt 73 Jahre danach ein Prozess gegen einen 95-jährigen ehemaligen SS-Wachmann viel zu spät. Ein solcher Prozess ändert nichts mehr an der Schande der Straflosigkeit schlimmster Menschheitsverbrechen.  Ihn deshalb aber sein zu lassen, würde die Nichtverjährung von Mord unterlaufen und die Straflosigkeit endgültig billigen.

Der Prozess ist eine späte und einmalige Gelegenheit, wenigstens die Erinnerung an die so lange vergessenen Stutthof-Opfer wiederzubeleben. Er bietet die Möglichkeit, wenigstens die zweite Absicht der Nazis zu durchkreuzen, über die Ermordung ihrer Opfer hinaus auch die Erinnerung an sie auszulöschen.

Dazu können die Prozessbeteiligten, dazu kann auch der Angeklagte erheblich beitragen.

Weitere Informationen

Winfried Nachtwei, Mitglied im Vorstand von „Gegen Vergessen – Für Demokratie“,

Münster, winfried@nachtwei.de , www.nachtwei.de ; 0170-314 8779


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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