Winfried Nachtwei nahm in seiner zu Protokoll gegebenen Rede zu der "Vereinbarkeit von Familie und Dienst in der Bundeswehr" wie folgt Stellung:
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für die BunÂdeswehr von wachsender Bedeutung.
Über die allgemeinen gesellschaftlichen Trends hiÂnaus kommen bei der Bundeswehr verschiedene BesonÂderheiten hinzu: Die häufigen Versetzungen haben zur Folge, dass inzwischen ein Großteil der BundeswehranÂgehörigen, 80 Prozent, pendelt. Die langen dienstlichen Abwesenheiten durch Lehrgänge, Übungen und vor alÂlem Auslandseinsätze gehen über die Trennung hinaus oft mit besonderen psychischen Belastungen für die FaÂmilien einher.
Die Vereinbarkeit von Familie und Dienst in der BunÂdeswehr zu fördern, ist ein Gebot der Fürsorgepflicht, ein ausschlaggebender Faktor für Dienstmotivation, Attraktivität der Streitkräfte und Nachwuchsgewinnung, nicht zuletzt bedeutsam für das Binnenklima der BunÂdeswehr, wo es nicht gleichgültig ist, wie weit ihre AnÂgehörigen noch sozial integriert oder vereinzelt sind.
Das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz von 2005 und das Teilkonzept „Vereinbarkeit von FamiÂlie und Dienst" des Generalinspekteurs von 2007 sind wichtige Schritte und zugleich Verpflichtungen. Zentrale Maßnahmefelder sind eine familienfreundliche PersoÂnalführung, Flexibilisierung der Dienstgestaltung, KinÂderbetreuung. Die Zahl der Bundeswehrangehörigen in Teilzeitarbeit stieg von 197 in 2006 auf 298 in 2008; jeÂweils circa vier Fünftel davon sind Frauen.
Allerdings musste der Wehrbeauftragte noch bei der gestrigen Debatte seines Jahresberichts 2007 kritische Fragen zur Realität der Kinderbetreuung stellen. DeutliÂche Indizien für Umsetzungsmängel ist die Zahl steigenÂder Eingaben beim Wehrbeauftragten in Sachen VereinÂbarkeit von Familie und Dienst. Kein gutes Zeichen ist auch, dass die Bundesregierung keinen Überblick hat, wie viele Bundeswehrangehörige Alleinerziehende sind.
Damit die innerbetrieblichen Arbeitsabläufe, StruktuÂren und Arbeitszeitmodelle familienfreundlicher gestalÂtet werden, muss aber auch die Bundeswehr selbst vielÂmehr tun. Es reicht nicht aus, wenn eine familienorientierte Personalführung oder eine DienstÂzeitflexibilisierung auf dem Papier beschworen werÂden, jedoch im militärischen und administrativen BeÂreich flexible Lösungen nur unzureichend realisiert werden. Deshalb ist es wichtig, die konkrete AusgestalÂtung und Umsetzung der Teilkonzeption jetzt auch voÂranzubringen. Die Bundeswehr muss sich verstärkt auf Familienfreundlichkeit ausrichten, wenn sie qualifizierÂtes Personal binden will. Dafür sind neben einer in der Praxis auch tatsächlich angekommenen DienstzeitflexiÂbilisierung und einer auch tatsächlich praktizierten faÂmilienfreundlichen Personalführung entsprechende VerÂwendungskonzepte und Werdegangsmodelle sowie die Schaffung eines tragfähigen KinderbetreuungskonzepÂtes für die Bundeswehr notwendig. Hierfür müssen im Einzelplan 14 eigene Finanzmittel eingestellt werden. Die Einrichtung erster Eltern-Kind-Arbeitszimmer soÂwie die Pilotprojekte zur Kinderbetreuung weisen in die richtige Richtung.
Der Prozess der Integration von Frauen in die BunÂdeswehr hatte gut begonnen. Frauen haben sich als SolÂdatinnen in der Bundeswehr bewährt. Sie sind hoch moÂtiviert und qualifiziert und stehen ihren männlichen Kameraden in nichts nach. Die Integration von Frauen in die Männerdomäne Bundeswehr verläuft aber weder problemfrei noch reibungslos. Mittlerweile stagniert der Integrationsprozess. Die gesetzlich festgelegte FrauenÂquote in den Laufbahnen außerhalb des Sanitätsdienstes von 15 Prozent wird klar unterschritten, und auch im Sanitätsdienst wird die festgelegte Quote von 50 Prozent längst nicht erreicht. Frauen sind zudem in den höheren Dienstgradgruppen und Verwendungen deutlich unterreÂpräsentiert. Nach Untersuchungen des SozialwissenÂschaftlichen Institutes der Bundeswehr halten nicht einÂmal 20 Prozent der befragten Soldatinnen und Soldaten die Integration für gelungen.
Hinzu kommt, dass sich Akzeptanzprobleme in der Truppe künftig in dem Maße noch vergrößern können, in dem Frauen vermehrt in Führungspositionen auftauchen. Defizite zeigen sich immer wieder auch im FührungsverÂhalten und im Umgangston. Es kommt auch zu sexuellen Übergriffen. Laut Studie des Sozialwissenschaftlichen Institutes berichteten mehr als 58 Prozent der befragten Soldatinnen von sexistischen Bemerkungen, 19 Prozent von unerwünschten körperlichen Berührungen, und 5 Prozent waren Opfer eines sexuellen Übergriffs.
Die Integration von Frauen in die Bundeswehr muss aktiver als bisher begleitet werden. Flexible DienstzeitÂgestaltung und verbesserte KinderbetreuungsmöglichÂkeiten sind nur ein Schritt. Gleichzeitig muss in der Aus- und Weiterbildung auf allen Führungsebenen endlich ein Gender- und Integrationstraining dauerhaft eingerichtet werden.
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Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
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