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Antrag: Zivile Krisenprävention und Friedensförderung brauchen einen neuen Schub

Veröffentlicht von: Webmaster am 17. Juni 2009 22:19:28 +01:00 (72067 Aufrufe)

Winfried Nachtwei hat einen Antrag zur Zivilen Krisenprävention initiiert, der am Donnerstag, den 18.06.09 im Bundestag debattiert wird. Die Bundesregierung redet zwar viel von Vernetzter Sicherheit, tut aber nichts, um den eklatanten Rückstand der zivilen Fähigkeiten abzubauen. Die Zivile Krisenprävention muss jetzt endlich nach vorn gebracht werden.

Deutscher Bundestag Drucksache 16/13392

16. Wahlperiode

Antrag

der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Kerstin Müller (Köln),  Ute Koczy, Dr. Uschi Eid, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Thilo Hoppe, Jerzy Montag, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Rainder Steenblock, Silke Stokar von Neuforn, Jürgen Trittin, Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zivile Krisenprävention und Friedensförderung brauchen einen neuen Schub

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Bundestag stellt fest:

1.      Die Bundesregierung hat es versäumt, den 1998 begonnenen Auf- und Ausbau einer Infrastruktur für zivile Krisenprävention und Friedensförderung fortzusetzen. Den öffentlichen Bekenntnissen zu einer Politik der Krisenprävention und „vernetzten Sicherheit" sind keine substanziellen Taten gefolgt. In der Praxis wurde die Unausgewogenheit zwischen zivilen und militärischen Fähigkeiten weiter verschärft. Die zivile Säule ist weiterhin die entscheidende Schwachstelle internationaler Friedensbemühungen, auch in der deutschen Außenpolitik. Nicht zuletzt die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr werden zu Lückenbüßern und Leidtragenden dieser Politik. Sie müssen länger in Auslandseinsätzen bleiben und bekommen dazu noch verstärkt Aufgaben von Polizei und zivilen Akteuren übertragen.          

Die Bereitschaft in eine effiziente Infrastruktur zur zivilen Krisenprävention und Friedensförderung zu investieren, muss wiederbelebt werden. Hier ist eine Kurskorrektur erforderlich. Zur militärischen Sicherheitsvorsorge setzt die Bundesregierung auf eine Wehrpflichtarmee mit 250.000 Soldatinnen und Soldaten, 100.000 Zivilbeschäftigten und milliardenteuren Rüstungsprojekten, die mehr industriepolitisch und weniger sicherheitspolitisch begründet sind. Hier werden Schwerpunkte falsch gesetzt und Ressourcen vergeudet. Der Verteidigungshaushalt hat mit 31,2 Mrd. € eine Rekordhöhe erreicht und ist damit der sechstgrößte Rüstungshaushalt weltweit. Im Rüstungsexportbereich belegt Deutschland hinter den USA und Russland sogar den dritten Rang. Mit Rüstungsexporten in Krisenregionen wie Indien, Pakistan und Staaten des Nahen Ostens unterstützt die Bundesregierung die Gewaltspirale und das Wettrüsten. Dies widerspricht einer Politik, die der zivilen Krisenprävention und Friedensförderung Vorrang einräumt.

2.      Ziele der zivilen Krisenprävention und Friedensförderung sind die Gewaltverhütung und die friedliche Austragung und Regelung von Konflikten. Neben einer Politik der Bearbeitung von Konfliktursachen zielt zivile Krisenprävention im engeren Sinne auf die kurz- und mittelfristige Verhinderung von Konflikt- und Gewalteskalationen, auf Einstellung offener Gewaltkonflikte und Friedenskonsolidierung. Der Vorrang der zivilen Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung (im Folgenden: Zivile Krisenprävention) in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik resultiert aus dem Friedensauftrag des Grundgesetzes und den Erfahrungen mit Kriseneskalationen und Gewaltkonflikten auf dem Balkan und in Afrika insbesondere seit den 1990er Jahren. Diese machten über die traditionelle Diplomatie, Integrations- und Entwicklungspolitik hinaus neue Ansätze und Instrumente der zivilen Krisenprävention notwendig. Seit 1998 entstanden deshalb unter der rot-grünen Koalition neue Instrumente, Fähigkeiten und Konzepte. Im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik begann die EU ab 1999 mit dem Aufbau von Fähigkeiten zum zivilen Krisenmanagement.

3.      Die Stärkung der zivilen Krisenprävention, ihrer Fähigkeiten und Kapazitäten sind heute notwendiger denn je. Das zeigen beispielhaft die ernüchternden Erfahrungen mit multinationalen Krisenengagements und Friedensmissionen in Afrika, Asien und anderswo. VN-geführte und VN-mandatierte Missionen sind heute so umfangreich wie nie zuvor. Zugleich befinden sie sich in einer Wirksamkeits- und Akzeptanzkrise und ist die Bereitschaft der Staaten, zu internationaler Friedenssicherung und Schutzverantwortung beizutragen, rückläufig. Wir brauchen eine Kultur der zivilen Krisenprävention, auch, um die internationale Schutzverantwortung gegenüber Menschen, die schwersten Menschenrechtsverletzungen schutzlos ausgeliefert sind, wirksam umzusetzen. Notorisch ist bei vielen Engagements und Missionen die Kluft zwischen diplomatischen, zivilen, polizeilichen Fähigkeiten, Kapazitäten und Anstrengungen einerseits und militärischen andererseits.

4.      Deutschland gehörte bis vor einigen Jahren gemeinsam mit den skandinavischen Ländern und der Schweiz zu den Vorreitern beim Aufbau einer Infrastruktur für zivile Krisenprävention. Das Zentrum Internationale Friedenseinsätze (ZIF), der Zivile Friedensdienst (ZFD), die krisenpräventive Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit, das Institut für Menschenrechte, die Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte durch das Programm „zivik", der Ausbau der Ausbildung für internationale Polizeieinsätze, die Deutsche Stiftung Friedensforschung und der Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" von 2004 sind Marksteine dieser Bemühungen und international hoch angesehen. Die hierbei tätigen FriedenspraktikerInnen in Zivil und auch in Uniform verdienen Dank und Anerkennung.

5.      In ihrem Koalitionsvertrag von 2005 haben sich CDU/CSU und SPD zur Umsetzung des Aktionsplans „Zivile Krisenprävention" bekannt. Ein Fortschritt war seitdem die Aufstockung der Finanzmittel für Krisenprävention und für den Zivilen Friedensdienst sowie das sogenannte „Sekundierungsgesetz" zur sozialen Absicherung von Zivilexperten, die von der Bundesregierung in internationale Einsätze zur Krisenprävention sekundiert werden. Darüber hinaus blieben die Aktivitäten der Bundesregierung auf dem Feld der zivilen Krisenprävention weit hinter den gewachsenen Anforderungen, aber auch hinter den Anstrengungen von Ländern wie der Schweiz, Großbritannien, Schweden, Kanada und inzwischen auch den USA zurück. Während die Bundeswehr weiterhin für Kriseneinsätze transformiert wird, herrscht bei der Politik der zivilen Krisenprävention weitgehend Stillstand. Das zeigt sich im 2. Umsetzungsberichts zum Aktionsplan der Bundesregierung vom Mai 2008 und dem Desinteresse, das ihm entgegengebracht wurde. Angesichts der Kosten, Wirksamkeitsprobleme und Opfer deutscher Krisenengagements ist eine Vernachlässigung der zivilen Krisenprävention kurzsichtig und verantwortungslos.

6.      Der 2. Umsetzungsbericht präsentiert wie sein Vorgänger eine beeindruckende Vielfalt an Handlungsfeldern und Maßnahmen, insbesondere auch auf multilateraler Ebene. Er verdeutlicht, wie komplex zivile Krisenprävention ist. Zugleich beinhaltet er wesentliche Defizite: Neben den dominierenden Bemühungen um Konfliktnachsorge und Friedenskonsolidierung findet die Primärprävention kaum noch Beachtung. Unter den Begriff der Krisenprävention werden unterschiedslos auch alle Militäreinsätze der Bundesrepublik sowie die EU-Battle-Groups und die NATO Response Force subsumiert. Die Zivil-Militärische Zusammenarbeit wird einseitig nur aus der militärischen Perspektive beleuchtet. Die realen Probleme von Ressortzusammenarbeit und Kohärenz werden massiv verharmlost. Der Rückstand der zivilen Krisenprävention wird nicht thematisiert. Auf die Formulierung ziviler Planziele wird verzichtet - und damit auf eine systematische Stärkung ziviler Fähigkeiten. Es fehlt eine Schwerpunktsetzung, die gerade angesichts der Fülle von 161 „Aktionen" von Nöten ist.

7.      Eine intensivierte Kommunikation zwischen den Kulturen und der Aufbau von kulturpolitischen Dialogstrukturen auf internationaler Ebene sind notwendig. So weist der 2. Umsetzungsbericht zu Recht auf die Bedeutung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik für die zivile Krisenprävention hin. Durch kontinuierlichen kulturellen Austausch, gezielte Förderung des interkulturellen Verstehens und freiheitlich-moderner Bildungssysteme kann ein Beitrag geleistet werden, Feindbilder abzubauen und Fähigkeiten zur friedlichen Konfliktbearbeitung zu vermitteln. Bislang fehlt jedoch eine wirksame, kohärente Strategie des interkulturellen Dialogs in der Krisenprävention. Voraussetzung hierfür wäre außerdem eine fundierte Evaluierung des Kulturdialogs als Beitrag zur Konfliktbearbeitung - besonders im Hinblick auf den Dialog mit der islamischen Welt -, der bisher versäumt wurde.

8.      Zivile Krisenprävention und Friedensförderung brauchen einen neuen Schub: konzeptionelle Klärung und Weiterentwicklung, ressortgemeinsame Frühwarn-, Planungs- und Führungsstrukturen und eine Kultur der Zusammenarbeit zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, Stärkung von Schlüsselfähigkeiten über Zivile Planziele, eine angemessene Ressourcenausstattung, Initiativen auf internationalen Ebenen, nicht zuletzt eine Kommunikationsstrategie, um die strukturelle Unsichtbarkeit von ziviler Krisenprävention zu überwinden. Die Auswirkungen von Kriegen auf die Geschlechterbeziehungen sowie die Bedeutung einer geschlechtergerechten Gestaltung von Nachkriegsgesellschaften müssen dabei berücksichtigt werden. Nur darüber wird Deutschland in der Lage sein, im Kontext der VN, EU, OSZE und NATO sowie regionalen Systemen kollektiver Sicherheit wie der Afrikanischen Union angemessene Beiträge zu einer Krisenprävention und Friedensförderung zu leisten, die den wachsenden und komplexen friedens- und sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht wird.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1.      dem Ausbau der zivilen Fähigkeiten zur Krisenprävention und Friedensförderung höchste politische Priorität beizumessen, den Leitgedanken der zivilen Konfliktbearbeitung konsequent als zentrales Handlungsprinzip und Querschnittsaufgabe in allen dafür relevanten Politikfeldern zu verankern und mit Nachdruck die Vorgaben des Aktionsplanes „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" umzusetzen;

2.      die zivile Krisenprävention und Friedensförderung konzeptionell weiterzuentwickeln und dafür:

a)      eine unabhängige Evaluation zur Umsetzung des inzwischen fünfjährigen Aktionsplanes „Zivile Krisenprävention" in Auftrag zu geben

b)      eine integrierte Friedens- und Sicherheitsstrategie mit dem Primat des Zivilen zu entwickeln, die das bisherige ungeklärte Nebeneinander von Aktionsplan „Zivile Krisenprävention" und Weißbuch zur Sicherheitspolitik überwindet;

c)      ressortübergreifende Teilkonzepte zu den Schlüsselfeldern Primärprävention, State-Building, Rechtsstaatsförderung, Sicherheitssektorreform einschließlich Demilitarisierung, Demobilisierung und Reintegration zu erarbeiten;

d)      den selbstreflexiven „do-no-harm"-Ansatz - Vermeidung nichtbeabsichtigter negativer Folgen der eigenen Politik - des Aktionsplans wiederzubeleben;

e)      sich aktiv im Rahmen der EU und der VN für die Ausformulierung und wirksame Umsetzung der internationalen Schutzverantwortung (Responsibility to Protect") mit dem Ziel einer Stärkung ziviler Krisenprävention einzusetzen;

3.      zur Förderung von Kohärenz und Wirksamkeit ressortgemeinsame Frühwarn-, Planungs- und Führungsstrukturen für Krisenprävention und Friedenskonsolidierung aufzubauen und dafür:

a)      ein integriertes ressortübergreifendes Krisenfrühwarnnetz unter Ein-
beziehung zivilgesellschaftlicher Akteure aufzubauen;

b)      den Ressortkreis „Zivile Krisenprävention" durch Steuerungskompetenzen, eigene Finanzmittel und bessere Personalausstattung zu stärken und die zivile Krisenprävention zur Aufgabe eines Staatsministers im Auswärtigen Amt zu machen;

c)      zu bedeutsamen deutschen Krisenengagements in komplexen Konfliktregionen (z.B. Afghanistan) oder zu zentralen Querschnittthemen (z.B. Wiederaufbau, Stabilisierung, State-Building) ressortübergreifende Arbeitseinheiten (Task Forces) zu bilden und die Erfahrungen anderer Länder (z.B. Kanada, Niederlande, USA) zu beachten;

d)      auf eine systematische Integration von kultur-, bildungs- und medienpolitischen Instrumenten in eine krisenpräventiv ausgestaltete Außen- und Entwicklungspolitik hinzuwirken;

e)      ressortgemeinsame Finanzierungsinstrumente auszuweiten und in Anlehnung an die britischen Conflict Prevention Pools mit zusätzlichen Haushaltsmitteln thematisch gebundene Fonds bzw. Länderfonds einzurichten, die ressortgemeinsam verwaltet werden;

f)       darauf hinzuwirken, dass ressortgemeinsame Richtlinien und transparente Verfahren der Mittelverwendung gelten und praktiziert werden;

g)      einheitliche Kriterien für Evaluationen und Wirkungsanalysen von zivilen wie militärischen Krisenengagements zu entwickeln sowie einen unabhängigen Evaluierungsmechanismus einzurichten und Auswertungen bisher ergriffener Maßnahmen im Bereich der Krisenprävention öffentlichkeitswirksam darzustellen;

h)      eine ressortübergreifende Datenbank zu Friedensmissionen und Krisenengagements einzurichten, die gemeinsam von den Ressorts betreut und in der sowohl von PraktikerInnen aus den Ressorts als auch von wissenschaftlichen Einrichtungen Informationen eingespeist werden. Dieses „institutionelle Gedächtnis" soll die Auswertung von Krisenengagements verbessern und kontinuierliche Lessons-Learned-Prozesse ermöglichen;

4.      einem überzogenen Ressortdenken und Akteursegoismen entgegenzuwirken, eine Kultur der Zusammenarbeit zwischen den Ressorts und staatlichen wie zivilgesellschaftlichen, militärischen und zivilen Akteuren zu fördern und dementsprechend:

a)      bei Ausbildung und Einsatzvorbereitung von Diplomaten, Offizieren und SoldatInnen, von PolizistInnen, Friedensfachkräften und EntwicklungsexpertInnen für Friedenseinsätze die ressort- und akteursübergreifenden Komponenten und Phasen auszubauen, um dadurch unnötige Kommunikations- und Kooperationshindernisse abzubauen;

b)      den Beirat für Zivile Krisenprävention aufzuwerten, seine Handlungsfähigkeiten zu verbessern und ihn mit eigenen finanziellen Ressourcen auszustatten;

c)      dazu beizutragen, dass das Verhältnis zwischen zivilen und militärischen Maßnahmen sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene und die realen Differenzen, Probleme, aber auch Kooperationschancen  zwischen militärischen und zivilen Akteuren mit den Partnern stärker thematisiert und bei den Planungen von Krisenengagements berücksichtigt werden;

5.      zentrale Fähigkeiten und Kapazitäten der zivilen Krisenprävention systematisch zu stärken und dafür:

a)      mit Priorität Friedensbemühungen direkt vor Ort zu stärken sowie lokale Versöhnungsprozesse zu fördern und die bestehenden Strukturen und Ressourcen für die Förderung von Nichtregierungsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Initiativen vor Ort auszubauen sowie diese von Anfang an in die Planung, Durchführung und Evaluation von Vorhaben zur Friedenskonsolidierung einzubeziehen;

b)      bisherige Risikoanalysen durch Chancenanalysen zu ergänzen, die in Konfliktregionen Friedenspotenziale und -prozesse als Ansatzpunkte von Friedensförderung identifizieren;

c)      in Anlehnung an das „Zivile Planziel 2010" der Europäischen Union und deren Umsetzungsstrategie nationale zivile Planziele für Schlüsselfähigkeiten (z.B. Rechtsstaats- und VerwaltungsexpertInnen, PolizeiausbilderInnen und -beraterInnen, Friedensfachkräfte) zu definieren, die am Bedarf der Europäischen Union und der Vereinten Nationen orientiert sind und auf Lessons-learned- und Best-Practice-Erfahrungen anderer Staaten sowie Nichtregierungsorganisationen und Forschungseinrichtungen zurückgreifen;

d)      in Abstimmung mit den europäischen Partnern eine stehende zivile Infrastruktur voranzubringen und einen rasch einsatzfähigen und EU-kompatiblen Personalpool von Experten und Expertinnen für den Polizei-, Justiz- und Verwaltungsaufbau sowie den Aufbau von wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Strukturen einzurichten;

e)      das Programm „Ziviler Friedensdienst in der Entwicklungszusammen-   arbeit" (ZFD) zu einem Instrument regional wirksamer Friedensförderung auszubauen, die Zahl der Fachkräfte des ZFD im Einsatz auf 500 zu erhöhen, zusätzlich angemessene Maßnahmen zur Professionalisierung und Profilierung des Zivilen Friedensdienstes sowie zur Stärkung von Trägerorganisationen zu ergreifen;

f)       die Mittel für das Programm Zivile Konfliktbearbeitung (zivik) des Instituts für Auslandsbeziehungen e.V. (ifa) für zivilgesellschaftliche Einzelprojekte weiter zu erhöhen und vor allem zu verstetigen;

g)      die Rahmenbedingungen für die Entsendung von Zivilpersonal durch Beseitigung von Entsendehindernissen, qualifizierte Ausbildung, Attraktivitätssteigerung, verlässliche Einsatzbegleitung und Rückkehrerunterstützung zu verbessern. Hierzu auch das ZIF in Richtung Entsendeorganisation weiterzuentwickeln, die Kapazitäten des ZIF in den Bereichen Training, Rekrutierung/Entsendung und Ananlyse/ Lessons Learned zu erweitern und zu verbessern. Dem ZIF insbesondere weitere Verantwortung für das Zivilpersonal zu übertragen und ihm mehr personelle und finanzielle Ressourcen zur Betreuung von Zivilpersonal und auch für die Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung zu stellen.;

6.      auf europäischer und globaler Ebene auf wirksame Mechanismen abgestimmter und aufeinander bezogener Aktivitäten zur zivilen Krisenprävention, Konfliktregulierung und Friedenskonsolidierung hinzuwirken und

a)      sich dafür einzusetzen, dass die EU vorrangig ihre zivilen Kapazitäten ausbaut und die militärischen Fähigkeiten auf die Unterstützung der Vereinten Nationen und ihrer Regionalorganisationen hin entwickelt werden.

b)      sich dafür einzusetzen, dass auf europäischer Ebene eine Koordinierungsstelle für zivile krisenpräventive Maßnahmen geschaffen wird;

c)      die im Aktionsplan sowie während der EU-Ratspräsidentschaft vereinbarten kontinuierlichen Dialoge mit nicht-staatlichen Akteuren zu Training/Ausbildung, Rekrutierung und Planung von EU-Missionen nachdrücklich zu fördern und zu unterstützen;

d)       mit Vorrang die krisenpräventiven Fähigkeiten der Vereinten Nationen zu stärken und das Department of Political Affairs (DPA), die VN Peace Building Commission, den VN Peacebuilding Fund sowie den Vorschlag zu einem „United Nations Emergency Peace Service to Prevent Genocide and Crimes Against Humanity" (UNEPS) angemessen mit Ressourcen und Fähigkeiten zu unterstützen;

7.      zur Umsetzung der UN-Resolutionen 1325 und 1820 zur Förderung der Partizipation von Frauen, zur Stärkung der Rechte und zum Schutz von Frauen einen nationalen Aktionsplan und eine Gender-Monitoringstelle einzurichten sowie darauf zu achten, dass die für eine nachhaltige Friedenssicherung entscheidende geschlechtergerechte Gestaltung von Nachkriegsgesellschaften realisiert wird;

8.      die Haushaltsmittel für die Friedens- und Konfliktforschung substanziell auszubauen, um u. a. konzeptionelle Lücken im Bereich der Krisenpräventionspolitik zu schließen sowie Friedenspotenziale und -akteure zu identifizieren und zu analysieren. Außerdem darauf hinzuwirken, dass die personellen und finanziellen Mittel für Regionalstudien an Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen deutlich aufgestockt werden. Es ist erforderlich, die Deutsche Stiftung Friedensforschung, die mit Bundesmitteln errichtet wurde und 2010 auf ihr zehnjähriges Bestehen zurückblicken kann, endlich mit dem ursprünglich vorgesehenen Mindestkapital (50 Mio €) auszustatten, damit sie ihren satzungsgemäßen Aufgaben, zu denen u.a. auch die Nachwuchsförderung gehört, gerecht werden kann.

9.      eine wirksame Strategie des interkulturellen Dialogs in der Krisenprävention zu entwickeln sowie ein mittelfristiges Gesamtkonzept vorzulegen und

a)      eine Bilanzierung der Zielgruppen, Themenschwerpunkte, Strategien und Leitziele sowie die Auswahlkriterien von Projekten im Rahmen des Sonderprogramms europäisch-islamischer Kulturdialog vorzulegen und auf dieser Grundlage den Dialog zu verbessern und strategisch auszurichten;

b)      im Rahmen des Ressortkreises „Zivile Krisenprävention" für eine verstärkte und konsequente Berücksichtigung kultureller Faktoren im Bereich der Krisenprävention auch anderer Ressorts zu sorgen.

10. der mangelhaften Wahrnehmung und Sichtbarkeit von ziviler Krisenprävention entgegenzuwirken und eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln und umzusetzen, die die Praxis der zivilen Krisenprävention, ihre Instrumente, Wirksamkeiten und Chancen breiter bekannt macht und damit einen Beitrag zur überfälligen friedenspolitischen „Alphabetisierung" leistet;

11. den Anspruch auf eine vernetzte Sicherheitspolitik und die Mitverantwortung des Bundestages auch dadurch zu untermauern, dass bei künftigen Anträgen der Bundesregierung über Auslandseinsätze der Bundeswehr dem Parlament auch die zentralen zivilen und polizeilichen Aufgaben, Maßnahmen und Mittelansätze zur Beschlussfassung vorgelegt werden.

Berlin, den 26. Mai 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

1.      Bereits im Jahr 2000 hat der Deutsche Bundestag die „Förderung der Handlungsfähigkeit zur zivilen Krisenprävention, zivilen Konfliktregelung und Friedenskonsolidierung" (BT-Drs. 14/3862) beschlossen. Der unter Beteiligung von zehn Ressorts und unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Fachleute erarbeitete und 2004 von der Bundesregierung beschlossene Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung" ist das zentrale, international hoch anerkannte Grundlagendokument für die krisenpräventive Politik der Bundesregierung.

Mit dem Aktionsplan hat die Bundesregierung ressortübergreifend einen umfassenden Handlungsrahmen zur zivilen Krisenbewältigung formuliert und angekündigt, die Kohärenz und Handlungsfähigkeit in diesem Bereich weiter ausbauen zu wollen. Der Aktionsplan nennt als strategische Ansatzpunkte

a)      die Herstellung verlässlicher staatlicher Strukturen (Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte und Sicherheit),

b)      die Förderung von Friedenspotenzialen in Zivilgesellschaft, Medien, Kultur und Bildung sowie

c)      die Sicherung von Lebenschancen.

Der Aktionsplan zielt darauf ab, „vorhandene Institutionen und Instrumente der Krisenprävention auszubauen oder neu zu schaffen und kohärent einzusetzen, um die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung in diesem Bereich zu stärken". (Aktionsplan, S.1) Das Besondere am Aktionsplan ist, dass er den Vorrang der zivilen Mittel betont und zivile Krisenprävention vom Anspruch her als Querschnittsaufgabe in der Gesamtpolitik der Bundesregierung postuliert. Ziel des Aktionsplanes ist die Bündelung der verschiedenen Fähigkeiten und Instrumente, insbesondere der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, um in Krisenregionen den Ausbruch gewaltsamer Konflikte bereits im Vorfeld vorzubeugen, Gewalt einzudämmen und Krisenregionen nach Gewaltkonflikten zu stabilisieren.


Mit seinen 161 Empfehlungen deckt der Aktionsplan die wesentlichen für krisenpräventive Außenpolitik relevanten Politikfelder ab. Auch die im Aktionsplan verankerte Kommunikation und Koordination zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren ist einzigartig. Auf diese Weise trägt der Aktionsplan der Erkenntnis Rechnung, dass kohärentes Handeln von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren Voraussetzung für eine erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung krisenpräventiver Strategien und Maßnahmen ist. Mittlerweile wurde eine beeindruckende Anzahl an Einzelinitiativen und Maßnahmen zur Stärkung krisenpräventiver Strukturen gestartet. Die Bundesregierung ist jedoch noch weit davon entfernt, den Anforderungen und Zielen des Aktionsplanes gerecht zu werden.

2.      Fünf Jahre nach der Verabschiedung des Aktionsplanes wartet dieser noch immer auf seine konsequente Umsetzung. Die Bundesregierung bekennt sich regelmäßig zum hohen Stellenwert der zivilen Krisenprävention als „prioritäre Querschnittsaufgabe" und zur Notwendigkeit ressortübergreifender Zusammenarbeit. Allerdings fehlt es an konkreten Schritten wie die Bundesregierung eine Verbesserung und mehr Kohärenz im Bereich ihrer Krisenpräventionspolitik erreichen will. Angesichts der immer komplexeren friedenspolitischen Herausforderungen sind dringend neue Impulse sowohl zur Verbesserung der Koordinierung der krisenpräventiven Politik der Bundesregierung als auch zur Verbesserung der Strategien, Instrumente und Fähigkeiten notwendig. Der längst überfällige Ausbau der zivilen Infrastruktur erfordert in Deutschland, aber auch auf europäischer Ebene, die Bereitschaft zu mehr ressort- und länderübergreifendem Zusammenwirken, weiteren organisatorischen Veränderungen, zusätzlichen personellen und finanziellen Ressourcen und entschiedene politische Steuerung. Ohne einen neuen Schub für den Ausbau der zivilen Infrastruktur, droht die zivile Krisenprävention in eine Nischenexistenz abgedrängt und marginalisiert zu werden.

3.      Die Bundesregierung hat sich dazu verpflichtet, den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention" weiter umzusetzen, die personellen und finanziellen Ressourcen auszubauen sowie infrastrukturelle Defizite abzubauen. Für eine besser koordinierte und effiziente Krisenpräventionspolitik der Bundesregierung wurde der Ressortkreis „Zivile Krisenprävention" geschaffen, dem die Beauftragten für Zivile Krisenprävention der beteiligten Bundesministerien angehören und der von einem sehr kleinen Mitarbeiterstab unterstützt wird. Dieser ist bislang jedoch über den Status eines Informations- und Abstimmungsgremiums nicht hinausgekommen. Dem Ressortkreis fehlt es an Steuerungskompetenz. Ohne eine institutionelle Neuausrichtung und Stärkung des Ressortkreises ist  mehr Kohärenz und Effizienz in der krisenpräventiven Politik der Bundesregierung nicht zu erreichen.

4.      Zur Verankerung der zivilen Krisenprävention in allen Bereichen und auf allen Ebenen (Mainstreaming) der Politik der Bundesregierung sind weitere Schritte zur Herstellung von Kohärenz und Effizienz überfällig. Mittlerweile wurden die finanziellen Mittel für Krisenprävention im Haushalt erhöht und auch das von der Bundesregierung verabschiedete Sekundierungsgesetz für die Entsendung von Zivilpersonal in Auslandseinsätzen ist ein wichtiger Schritt. Ebenso zu begrüßen ist, dass die Mittel für den Zivilen Friedensdienst erhöht wurden und die Förderung von zivik fortgesetzt wird. Für eine Verbesserung und erhöhte Kohärenz der Krisenpräventionspolitik der Bundesregierung sind diese Schritte aber laut einhelliger Meinung von Experten und Expertinnen bei weitem nicht ausreichend. Auch die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2005 angekündigte „Zusammenführung vorhandener finanzieller und personeller Ressourcen" ist bislang nicht gelungen. Der erfolgreiche „Provincial Development Fund" in Nord-Ost Afghanistan blieb eine Ausnahme. Die Absicht, in Anlehnung an das britische Modell eines „Global Conflict Prevention Pool", einen gemeinsam von den Ressorts verwalteten Fonds für Krisenprävention einzurichten, wird weiter durch Ressortinteressen blockiert. Weder der Ressortkreis noch der Beirat „Zivile Krisenprävention" sind an der Mittelvergabe beteiligt.

 

5.      Als wichtige Schnittstelle zwischen Bundesregierung und Zivilgesellschaft hat der Ressortkreis einen Beirat einberufen, der den Ressortkreis fachlich begleiten und beraten soll. Dieser kann jedoch weder seine Möglichkeiten ausschöpfen noch eigene Akzente setzen. Damit werden Chancen leichtfertig vertan, die Früherkennung eskalationsgefährdender Konflikte besser zu erkennen und zu koordinieren. In seiner Stellungnahme zum zweiten Umsetzungsbericht des Aktionsplanes stellt der Beirat fest, dass mittlerweile zwar die Kommunikation zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren verbessert werden konnte, allerdings fand eine Koordinierung nicht statt. Dazu mangelt es laut Beirat an Durchsetzungskraft und Operationsfähigkeit des Ressortkreises. Auch die Empfehlungen des Beirates in seinem Tätigkeitsbericht haben bislang keinen erkennbaren Niederschlag gefunden.

6.      Der Aktionsplan sieht vor, dass die Bundesregierung Parlament und Öffentlichkeit alle zwei Jahre über den Stand der Implementierung des Aktionsplanes unterrichtet. Mittlerweile hat die Bundesregierung ihren zweiten Umsetzungsbericht zum Aktionsplan „Zivile Krisenprävention" vorgelegt. Weder der erste noch der zweite Umsetzungsbericht haben die notwendige öffentliche und parlamentarische Aufmerksamkeit erfahren. Es fehlt an einer professionellen Kommunikationsstrategie mit der zivile Krisenprävention und deren Erfolge für Öffentlichkeit und Parlament sichtbar und wahrnehmbar gemacht werden. Wie bereits der erste Umsetzungsbericht zeigt auch der zweite Bericht eine beeindruckende Vielzahl von krisenpräventiven Aktivitäten. Allerdings fehlt ein übergreifender Ansatz, der die verschiedenen Maßnahmen und Einzelinitiativen zusammenführt und zu einer Vision verknüpft. Auch die Schlüsselfragen nach der Wirksamkeit von Maßnahmen ziviler Krisenprävention sowie nach dem Bedarf an Fähigkeiten und Ressourcen werden im Bericht fast vollständig ausgeklammert. Der Rückstand ziviler Fähigkeiten im Bereich des deutschen Krisenengagements wird erst gar nicht thematisiert. Im Bericht wird lediglich festgestellt, dass sich die nationalen Strukturen der Krisenprävention bewährt hätten und im Einzelnen weiterentwickelt und konsolidiert worden wären. Welche konkreten Schritte die Bundesregierung aber in Richtung gemeinsame Planung oder gemeinsame Haushaltsmittel gehen will, wird im Bericht verschwiegen. Hinzu kommt, dass im zweiten Umsetzungsbericht der Präventionsgedanke sichtbar an Bedeutung verliert. Im Gegensatz zum Aktionsplan taucht der do-no-Harm-Ansatz, das heißt der Grundsatz, dass das eigene Eingreifen keine kontraproduktiven Folgen haben darf, im Umsetzungsbericht nicht mehr auf. Damit wird der für Krisenprävention wichtige Grundsatz, Konflikt fördernde oder verlängernde Wirkungen und Folgen der eigenen Politik zu beachten und zu meiden, ausgeklammert. Gleichzeitig wird der Einsatz militärischer Mittel und Kapazitäten unterschiedslos unter dem Begriff der Prävention subsumiert. Die pauschale Feststellung der Bundesregierung, dass der Begriff der „Zivilen Krisenprävention" im Grunde unterschiedslos jedes militärische Krisenengagement einschließe, wird mit Nachdruck widersprochen.

7.      Mit dem im Aktionsplan explizit formulierten Primat des Zivilen erkennt die Bundesregierung den Vorrang ziviler Mittel zur Krisenprävention an. Mittlerweile ist sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene die Erkenntnis gewachsen, dass es weitaus kostengünstiger ist, in zivile Maßnahmen zur rechtzeitigen Vorbeugung und Verhinderung von Gewalt zu investieren, als nachträglich in Gewalteskalationen zu intervenieren. Zwischen zivilen und militärischen Fähigkeiten klafft jedoch sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene noch immer eine erhebliche Fähigkeitslücke. Defizite bei den personellen und finanziellen Ressourcen zur zivilen Krisenprävention, verhindern nicht nur ein frühzeitiges wirksames Eingreifen zur Verhütung von Gewalt oder zur Beseitigung von strukturellen Konfliktursachen, sondern unzureichende zivile Fähigkeiten tragen auch dazu bei, dass Streitkräfte zu Lückenbüßern werden, die jahrelang ohne nachhaltige Wirkung im Einsatz sind. Im Rahmen kollektiver Friedenssicherung kann der Einsatz von Streitkräften zur Gewalteindämmung und Gewaltverhinderung erforderlich sein. Streitkräfte können zur zivilen Krisenprävention jedoch keinen substanziellen Beitrag leisten, sondern nur Zeiträume für politische Lösungen offenhalten. In komplexen Stabilisierungseinsätzen kommt es auf ein Zusammenwirken von zivilen, polizeilichen und militärischen Akteuren an. Dies erfordert eine enge Kooperation und Koordination der unterschiedlichen Maßnahmen und Akteure. Entscheidend ist dabei aber, dass zivile Akteure und Maßnahmen, insbesondere der Entwicklungszusammenarbeit und von Nichtregierungsorganisationen, ihre Eigenständigkeit bewahren und nicht zum Erfüllungsgehilfen von militärischen Krisenengagements werden. Bei der Koordinierung und Kooperation müssen die komparativen Vorteile der verschiedenen Akteure aufrechterhalten und gewährleistet bleiben.

8.      In den vergangenen Jahren gab es vielfältige nationale und internationale Ansätze, der zivilen Krisenprävention und Konfliktbewältigung eine größere Bedeutung zukommen zu lassen. Insbesondere im Bereich der Europäischen Union hat es einen deutlichen Entwicklungsschub gegeben. Hierzu haben die zivilen Planziele der EU erheblich beigetragen. Bereits im Juni 2001 hat sich die Europäische Union in ihrem Göteborg-Programm für umfassende Maßnahmen im Bereich ziviler Krisenprävention, Konfliktregelung und Friedenskonsolidierung ausgesprochen. Mittlerweile ist die EU zu einem wichtigen zivilen Akteur der internationalen Krisenbewältigung im Rahmen der Vereinten Nationen geworden. Von den 23 Missionen, die die EU bislang durchgeführt hat, sind allein 17 zivile Missionen. Mit dem Stabilitätsinstrument Ende 2007 hat die EU einen wichtigen Schritt in Richtung zu mehr zivilen Krisenmanagementfähigkeiten gemacht. Allerdings ist sie noch weit davon entfernt, auf eine handlungsfähige zivile Infrastruktur zurückgreifen zu können. Hierfür sind dringend neue Anreize und Impulse notwendig. Um die Koordination zwischen den relevanten Akteuren zu verbessern und die zivilen Strategien und Kapazitäten der EU weiter zu entwickeln, ist die Einrichtung einer Europäischen Friedensagentur und der Aufbau eines europäischen Friedensdienstes zur Förderung der Friedensentwicklung von „unten" notwendig. Die Ergebnisse und Empfehlungen des auf finnische Initiative 2005 gestarteten RoCS-Prozesses (Role of Civil Society in the European Civilian Crisis Managment) sind eine gute Basis für eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren. Der Dialog mit zivilgesellschaftlichen Organisationen muss aber weiter institutionalisiert und dafür ein Mechanismus geschaffen werden, der regelmäßige Dialoge gewährleistet. Dafür sind Impulse der Bundesregierung notwendig.

9.      Zivile Krisenprävention ist in einem immer schärferen Konkurrenzkampf um das knappe Gut „Aufmerksamkeit" medial besonders schwer „verkäuflich". Sie ist leiser, langsamer, eher prozessorientiert und komplex. Sie findet zudem oft hinter den Kulissen statt. Ihre Wirkungen und Erfolge sind weniger sichtbar und schwer nachweisbar: Der verhinderte „Großbrand" hat keinen Nachrichtenwert, der „Feuerwehreinsatz" umso mehr. Es bedarf besonderer Anstrengungen, neben der natürlichen" Anziehungskraft des Militärischen, von „Gewalt-„ und „Bad-News" generell, die zivile Krisenprävention und Friedensförderung sichtbar zu machen. Das zu schaffen, ist von ausschlaggebender Bedeutung, damit die zivile Krisenprävention auch Rückhalt in der Bevölkerung und in der Politik bekommt. Mit dem Aufbau neuer Instrumente der zivilen Krisenprävention seit 1998 entwickelten sich auch neue Ansätze einer Friedensberichterstattung. Vorbildhaft war dabei das „Peace-Counts-Projekt", das einem breiteren Publikum die Aktivitäten von „FriedensmacherInnen" weltweit nahe brachte. Bisher fehlt es aber von Seiten der Bundesregierung an Bemühungen, das komplexe Politikfeld der zivilen Krisenprävention anschaulich zu vermitteln.

 

Hin weis: 

Bundestagsdebatte über den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen "Zivile Krisenprävention und Friedensförderung braucht einen neuen Schub"


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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