Nachtwei zum Wehrbeauftragtenbericht

Von: Webmaster amMi, 18 Juni 2008 17:19:37 +01:00
Für seine Fraktion nahm Winfried Nachtwei im Deutschen Bundestag Stellung zum Jahresbericht 2007, den der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe dem Deutschen Bundestag erstattet hatte. Hier seine Rede:

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Kollege Winfried Nachtwei.

Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Mitglieder des Verteidigungsausschusses waren wir schon öfter in Bosnien-Herzegowina und haben dort so manche Hubschrauberbesatzung kennen- und schätzen gelernt. Deshalb empfinden wir ein ganz besonderes Mitgefühl für diejenigen, deren Angehörige oder Freunde nicht lebend aus dem Einsatz zurückkommen.

Herr Wehrbeauftragter, wir schließen uns gerne dem Dank der anderen Fraktionen und der Präsidentin an Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Mir ist das auch deshalb ein besonderes Anliegen, weil ich die Methodik, mit der Sie Ihr Amt ausführen, sehr schätze. Dazu gehört zum Beispiel, dass Sie bei bestimmten Punkten nicht bei der Benennung von Mängeln stehenbleiben, sondern auch in die Tiefe gehen. In diesem Bericht betrifft das zum Beispiel den Bereich Ausbildung. Sie haben sich die Offiziersausbildung einmal näher angeschaut und haben dann gesehen, woran es mangelt.

Ich will allerdings nicht zu dem spektakulären Mangel bzw. eigentlich dem Gegenteil davon kommen, nämlich zu manchen überdimensionierten Soldaten, sondern zu anderen enorm wichtigen Themen. Ich will drei Komplexe ansprechen: erstens den Bereich Fürsorge, zweitens den Bereich Führungsverhalten und drittens den Bereich Rechtsklarheit.

Die Politik stellt ganz besondere Anforderungen an Soldatinnen und Soldaten. Das fängt mit dem schnellen Wechsel von Standorten an und hört bei den Auslands-einsätzen auf. Die Soldaten haben deshalb selbstverständlich einen besonderen Anspruch auf verlässliche Fürsorge. Die Brennpunkte dieser Fürsorgeanforderungen sind heute schon mehrfach genannt worden: die Verhältnisse der baulichen Infrastruktur, die Unterbringung in den Kasernen, die Wohnbedingungen und nicht zuletzt die Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Schnelle Abhilfen sind unbedingt notwendig, damit nicht erst die nächste Generation davon profitiert.

Die Auslandseinsätze sind belastend und riskant. Das zeigt sich ganz besonders und heimtückisch bei posttraumatischen Belastungsstörungen, die noch ziemlich lange nach einem Einsatz auftreten können. Manche von uns haben - so wie ich in den letzten Monaten - einige von den Betroffenen kennengelernt. Dabei haben wir schlimme Krankheitsgeschichten gehört. Es stellte sich heraus, dass hier ein wirklich dringender Handlungsbedarf besteht. Es darf nicht sein, dass Soldaten jahrelang um die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung kämpfen müssen und dass entlassene Zeitsoldaten auf der Suche nach Heilung und Unterstützung eine regelrechte Odyssee durchmachen müssen. Dies ist zurzeit noch eine organisierte Verantwortungslosigkeit.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zum Führungsverhalten - wie im letzten Jahresbericht ist dieses Thema auch jetzt wieder angesprochen worden -: Es ist ausgesprochen beunruhigend, was von manchen Offizieren, von Hauptleuten und darüber hinaus, berichtet wird; beunruhigend ist vielmehr auch die Feststellung des Wehrbeauftragten, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, sondern um einen zum Teil zunehmenden Trend. Darüber haben wir vor allem im Ausschuss noch vertieft zu diskutieren.

Schließlich zur Rechtsklarheit. Soldaten der Bundeswehr sind klar und deutlich an Recht und Gesetz, an die Grundrechte und das Völkerrecht gebunden. Umgekehrt erwarten sie natürlich von der politischen Führung, von der Bundesregierung, rechtlich einwandfreie Aufträge und Befehle.

Wie sieht das inzwischen beim Auftrag „Enduring Freedom" aus? Vor sieben Jahren wurde der Verteidigungsfall ausgerufen. Dies ist doch wahrhaftig keine in irgendeiner Weise nachvollziehbare Legitimation mehr. An dieser Stelle endlos weiterzumachen, ist eine Zumutung für jedes Rechtsempfinden.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)

Unglaublich für jedes Rechtsempfinden ist, was der Tornadobesatzung des Jagdbombergeschwaders 33 in Büchel zugemutet wurde. In der Taschenkarte „Humanitäres Völkerrecht" des Verteidigungsministeriums vom August 2006 heißt es unter „Kampfmittel und Kampfmethoden" - ich zitiere -: Insbesondere der Einsatz folgender Kampfmittel ist deutschen Soldaten bzw. Soldatinnen verboten: Antipersonenminen, chemische und bakteriologische Waffen, atomare Waffen. - Im Rahmen der technischen nuklearen Teilhabe müssen Tornadobesatzungen den Abwurf von Atombomben üben. Zurzeit tun sie das im Inland und im Ausland auch noch.

Herr Minister, ich fordere Sie auf, diesen offenkundig rechtswidrigen Auftrag umgehend zu widerrufen. Das ist nicht zuletzt eine Verpflichtung gegenüber den Staatsbürgern in Uniform der Bundeswehr.

Danke schön.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN und bei der LINKEN)