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Sicherheitspolitik und Bundeswehr + Artikel von Winfried Nachtwei für Zeitschriften u.ä.
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Buch zur Sicherheitspolitik – Zu viele Leerstellen und Defizite

Veröffentlicht von: Webmaster am 26. Oktober 2006 16:16:09 +01:00 (41270 Aufrufe)
Folgenden Beitrag zum Weißbuch hat Winfried Nachtwei für die Website der Grünen auf Bundesebene verfasst:
Buch zur Sicherheitspolitik - Zu viele Leerstellen und Defizite

Ein Weißbuch zur deutschen Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr ist überfällig. Deshalb ist die Vorlage zu begrüßen. Das Weißbuch wurde am 25. Oktober im Kabinett verabschiedet. Das letzte stammt aus dem Jahr 1994 und somit aus der Zeit vor den meisten Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Mit dem neuen Weißbuch will die Bundesregierung die Richtung für die deutsche Sicherheitspolitik in den kommenden Jahren vorgeben. Auf viele Fragen und Probleme, mit denen wir es heute zu tun haben, liefert das Weißbuch aber keine befriedigenden Antworten. Wann, wo und warum will die Bundesregierung mit jeweils welchen Mitteln den heutigen komplexen Bedrohungen entgegentreten? Was ist genau die Rolle der Bundeswehr z.B. beim Kampf gegen Internationalen Terrorismus? Wie kann der Übergang von der Stabilisierung zum Peacebuilding gelingen? Was sind die Erfahrungen aus mehr als zehn Jahren deutschen Krisenengagements und Auslandseinsätzen der Bundeswehr und welche Konsequenzen sind daraus für die friedens- und sicherheitspolitischen Fähigkeiten Deutschlands zu ziehen?

Sicherheitspolitik muss heute umfassender angelegt sein. Das sieht auch das Weißbuch so. Etwa wenn von der Notwendigkeit „vernetzter Sicherheit" und „ressortübergreifenden Netzwerkstrukturen" gesprochen wird. Bei dem Bekenntnis zu einer umfassenden Sicherheitspolitik bleibt das Weißbuch dann aber stehen. Fehlanzeige bei der konkreten Umsetzung. Internationale Einsätze der Bundeswehr sind immer komplexe zivile, polizeiliche und militärische Missionen. Daraus hätte das Weißbuch deutliche Konsequenzen ziehen müssen. Die Bundesregierung hätte sagen müssen, wie denn die eklatanten Defizite im zivilen und polizeilichen Bereich abgebaut werden sollen. Sonst ist die Endlosigkeit von Militäreinsätzen vorprogrammiert. Was dem Weißbuch fehlt, ist eine übergreifende Konzeption von diplomatischen, politischen, polizeilichen, zivilen und militärischen Instrumenten und Fähigkeiten.

Ein nicht weniger weit reichendes Manko: Zu Recht betont das Weißbuch, dass „den neuartigen Risiken weder allein noch vorrangig mit militärischen Mitteln begegnet werden kann". Militäreinsätze schaffen keinen Frieden, sondern ermöglichen und unterstützen im besten Fall Friedensprozesse. Es fehlt aber eine Auswertung und kritische Bilanz deutschen Krisenengagements und Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Vergebens sucht man nach den Konsequenzen aus den Erfahrungen der letzten 15 Jahre. Öffentlichkeit und Bundeswehr haben ein Recht darauf zu erfahren, welchen Beitrag die Streitkräfte im Rahmen einer umfassenden Friedens- und Sicherheitspolitik leisten können, dürfen und sollen und welchen eben nicht. Das Weißbuch nennt zwar komplexe Probleme wie internationaler Terrorismus, Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen oder das Scheitern von Staaten als Herausforderung für Sicherheitspolitik. Es lässt aber offen, mit welchen Mitteln die Bundesregierung diesen Herausforderungen begegnen will und wozu die Bundeswehr bedeutend, wenig oder auch gar nicht beitragen kann. Im Weißbuch heißt es lediglich, die Bundeswehr solle mit ihrem gesamten Fähigkeitsspektrum hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. Die Aufgaben der Bundeswehr bleiben vage und nebulös. Einer Verengung auf das Militärische wird damit Vorschub geleistet.

Auch auf die Frage, wie die Struktur- und Ausrüstungsdefizite der Bundeswehr abgebaut werden können, erhalten wir keine Antwort. Stattdessen wird die sicherheitspolitisch längst überholte Wehrpflicht zementiert. Leichtfertig wird die Chance für den konsequenten Übergang der Bundeswehr von einer Wehrpflicht- zu einer Freiwilligenarmee vergeben. Ein freiwilliger und flexibler militärischer Kurzdienst wäre die verantwortliche Alternative. Die Bundesregierung will außerdem an der politisch unverantwortlichen nuklearen Teilhabe festhalten. Deutschland solle laut Weißbuch „einen seiner Rolle im Bündnis entsprechenden Beitrag" leisten. Die nukleare Teilhabe hat in erster Linie politisch- symbolische, aber keine operative Bedeutung mehr. Der vollständige Abzug aller taktischen Atomwaffen aus Deutschland und Europa ist längst überfällig. Ein deutlicher Kurswechsel ist die Förderung deutscher Rüstungsexporte weltweit. Der in den Rüstungsexportrichtlinien verankerte Grundsatz, dass Exporte von Kriegswaffen in Staaten außerhalb der NATO und EU grundsätzlich verboten sind, soll aufgehoben werden. Die Bundesregierung will eine sicherheitspolitisch weitsichtige restriktive Rüstungsexportpolitik zugunsten kurzsichtiger Rüstungsexportinteressen aufgegeben. Das ist völlig unakzeptabel.
Es ist richtig, dass sich das Weißbuch zum Friedensauftrag des Grundgesetzes und zum Multilateralismus bekennt. Demzufolge dürfen nationale Interessen nicht im Alleingang, sondern nur gemeinsam in einem System kollektiver Sicherheit und auf der Grundlage des Völkerrechts durchgesetzt werden. Als die zentralen sicherheitspolitischen Partner Deutschlands werden EU und NATO benannt. Laut Weißbuch komme dabei einer „vernetzten Operationsführung", das heißt einem „einheitlich geplanten und durchgeführten Zusammenwirken mit anderen Instrumenten von Staaten, Bündnissen und Organisationen" eine wichtige Funktion zu. Der Hinweis darauf, dass dem Ziel einer vernetzten Operationsführung durch unterschiedliche Orientierungen und Prinzipien durchaus Grenzen gesetzt sind, sucht man im Weißbuch vergebens. Die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts muss ohne Ausnahme gewährleistet sein. Insofern ist der „Military Commissions Act", den der US-Kongress kürzlich gezeichnet hat, ein Rückschritt im Anti-Terror-Kampf, denn er stellt menschen- und völkerrechtliche Vergehen von US-Truppen weitestgehend straflos. Wenn die Bundesregierung es mit ihrem Selbstverständnis ernst meint, dann muss sie die Prioritäten und Handlungsmaxime ihrer Sicherheitspolitik klar am VN-System als Handlungsrahmen orientieren und auf politische wie strukturelle Reformen innerhalb der NATO drängen. Dies ist schon allein aus Gründen der Kohärenz und Sichtbarkeit deutscher Außen- und Sicherheitspolitik notwendig.

Viel zu lange ist das Weißbuch unter Verschluss gehalten worden. Die längst überfällige und breite Debatte in Politik und Gesellschaft zur deutschen Friedens- und Sicherheitspolitik wurde damit beeinträchtigt. Diskussionen brauchen Ergebnisoffenheit und keine regierungsamtlich geschaffenen Fakten. Das Weißbuch muss jetzt Anlass und Katalysator einer solchen Debatte werden. Eine Politik internationaler Verantwortung braucht Akzeptanz in der Bevölkerung.


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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