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Erinnerungsarbeit + Rede von Winfried Nachtwei
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ULLA KNAUL, unsere leidenschaftlich engagierte, zugewandte, lebensfrohe Mitstreiterin seit Jahrzehnten, ist im Alter von 92 Jahren gestorben - Erinnerungen an Ulla

Veröffentlicht von: Nachtwei am 27. Januar 2021 12:19:30 +01:00 (24793 Aufrufe)

Politisch hellwach, zugewandt und diskussionsfreudig, vielfältig engagiert - redend, schreibend, handelnd und auch betend. So haben viele Menschen in Münster Ulla Knaul erlebt, von ihr gelernt, sich konstruktiv anstecken lassen. Hier einige Erinnerungsstücke an sie, vor allem die farbige Traueransprache von Pastorin Beate Bentrop.  

 

ULLA KNAUL, unsere leidenschaftlich engagierte,

zugewandte und lebensfrohe langjährige Mitstreiterin,

ist am 17. Januar 2021 im Alter von 92 Jahren gestorben

(Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei )

Geboren am 11. Juli 1928 in Meißen erlebte Ursula Mende als junger Mensch die Verführungskraft des Nationalsozialismus. Die Begegnung mit Lioba, einer gleichaltrigen Zwangsarbeiterin aus Russland, wurde für sie zu einem Schlüsselerlebnis.

Seit der Friedensbewegung der 1980er Jahre sind wir uns immer wieder begegnet, war Ulla Knaul aktiv in der grünen Bewegung.1997 trat sie als 69-jährige Seniorin der noch jungen Partei Bündnis 90/Die Grünen in Münster bei.

Ulla war eine politisch hellwache, vielfältig engagierte und kreative Frau mit langem Atem: In Münster Hiltrup im seit 1981 bestehenden „Ökumenischen Arbeitskreis für Frieden und Gerechtigkeit“, im Gesprächskreis „Frauen in der Lebensmitte“ ihrer Evangelischen Kirchgemeinde, von Anfang an beim „Alternativen Volkstrauertag“ zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter in Hiltrup.

Im Gemeindebrief Ende 2019 schrieb Ingo Zocher unter dem Ulla-Zitat „Man müsste sofort auf die Straße gehen“, sie sei eine „feste Größe in der Gemeinde und habe wohl mehrere Generationen beeinflusst und geprägt.“ „Durch zahlreiche Gespräche, u.a. in Schulen, Diskussionsrunden und kleineren Schriften gab sie regelmäßig ihre Erlebnisse und Erfahrungen an jüngere Generationen weiter. ´Nur wenn die, die dabei waren, den Mut haben, davon zu erzählen, können die nachfolgenden Generationen die Mechanismen nachvollziehen und heutige Gefahren erkennen.`“ Der seit Jahren anwachsende Rechtsextremismus beunruhigte sie besonders. Immer wieder warnte sie vor dieser Großgefahr und kämpfte vor allem konstruktiv gegen sie an: unermüdlich, positiv, gewinnend in ihrem Einsatz für Demokratie, Menschenrechte, Völkerverständigung und Friede.

Mit ihrer Lebensfreude und ihrem Humor suchte sie das Gespräch und tauschte sich gerade auch gern mit jungen Menschen aus. Bei den Münsteraner Grünen beteiligte sie sich selbstbewusst und meinungsfreudig an den politischen Diskussionen. Rechthaberei und Verbissenheit konnte sie nicht ausstehen. Sie war eine engagierte, zupackende Wahlkämpferin, die am Info-Stand auf die Menschen zuging. Sie gründete mit anderen älteren Frauen und Männern die „Grünen Senioren“ und war über viele Jahre treibende Kraft dieser wöchentlich im CUBA tagenden, diskussions- und lernfreudigen Runde.

Mit stolzen 90 Jahren nahm sie an der Gründung des Grünen Ortsverbandes Münster Hiltrup teil. Beglückt war sie, beim Neujahrsempfang 2019 Robert Habeck als Gastredner erleben zu dürfen.

Friedlich ist sie am Sonntag, 17. Januar 2021,  ihren letzten Weg gegangen:

Pastorin Beate Bentrop von der Evangelischen Kirchgemeinde Münster Hiltrup schilderte Ulla Knaul in ihrer Traueransprache so, wie sie tatsächlich war: leidenschaftlich, couragiert, herzlich, mit vielen Facetten, eine menschlich reiche und bereichernde Frau. Mit dieser Rede  kann Ulla Knaul  uns viel lebendiger nahe bleiben.

27.01.2021, Winni Nachtwei

Traueransprache von Pastorin Beate Bentrop für

ULLA KNAUL

am 21.1.2021 auf dem Alten Friedhof Münster-Hiltrup

Liebe Familie, liebe Angehörige und Freunde!

„In der mir vorbestimmten Stunde werd ich auf einem Sonnenstrahl direkt in seinen Himmel gehen und einfach sagen: „Herr, da bin ich!“

Die letzte Zeile aus einem Gedicht von Ulla Knaul, das Sie, liebe Angehörige, auf dem Gedenk-Kärtchen abgedruckt haben. Zusammen mit einem Bild, das sie noch mal ganz lebendig vor Augen führt: Fröhlich-verschmitzt und mit einer ganz typischen Handbewegung… den Finger an die Wange gelegt, ein bisschen fragend, überlegend, aber auch so als würde sie ihn gleich recken und sagen: „ich hab`s…“

Das kann man sich gut vorstellen bei Ulla: Dass sie einfach losgeht: unbeirrbar, fest entschlossen das Ziel zu erreichen: So, da bin ich… − Dass sie sich auf den Weg gemacht hat, das haben Sie, liebe Angehörige, seit Weihnachten schon gespürt. − Sie sind froh, dass Sie sie auf diesem Weg begleiten konnten. Am Sonntagmorgen ist sie angekommen… − auch das haben Sie gespürt. Eingeschlafen, auf ihrem Sofa, so haben Sie sie gefunden. − Ein friedlicher Abschluss eines langen und prallen, in vollen Zügen gelebten Lebens.  Einer Frau, die das Leben geliebt, es mit offenen Händen empfangen und mit offenen Händen ganz viel davon weitergegeben hat.

Wie soll man Ulla beschreiben?

Sie war ein Wirbelwind. Voller Lebensfreude und Energie. Wo sie war, da war es lebhaft. Da gab es Bewegung. Da gab es meistens was zu Lachen. − Aber auch zum Nachdenken, zum Ankurbeln der grauen Zellen und Auseinandersetzen. Bei den Frauen in der Lebensmitte z.B., „ihrem Gesprächskreis“ in der Kirchengemeinde, der ihr bis zum Schluss so wichtig gewesen ist. Sie hat gern diskutiert, hat die Dinge hinterfragt, ist ihnen auf den Grund gegangen. Immer am Puls der Zeit, immer interessiert und beteiligt an den aktuellsten Entwicklungen.

Sie hat sich gern mit jungen Menschen umgeben und ausgetauscht. Und umgekehrt war es genauso: junge Menschen waren gern mit ihr zusammen. „Sie ist jung geblieben im Geist“, haben Sie, liebe Angehörige, gesagt. Wach und beweglich… Und: Sie hat sich eingelassen. Und wahrgenommen. Ernstgenommen. − Ihr Engagement bei den „Grünen Senioren“ zum Beispiel.

Ganz früh hat sie das Gefühl der Verantwortung für die Enkel, für die zukünftigen Generationen auf den Plan gebracht, um sich für eine bessere Umwelt einzusetzen.

Sie war eine leidenschaftliche und couragierte Frau. Ein eigener, eigenständiger Geist mit großer Willensstärke und Spontaneität. Wenn sie von etwas überzeugt war, dann hat sie das auch vertreten. Hat aus ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht.

Wenn ihr Themen am Herzen lagen, dann konnte sie sich empören, vor allem wenn es um die politischen Zustände in der Welt oder in der Gesellschaft ging. Dann konnte sie durchaus auch eine Kaffeetafel sprengen, wenn ihr der Small-Talk zu oberflächlich wurde.

Wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat, dann hat sie das durchgezogen. Und da war sie oft auch ganz kurz entschlossen. Ohne sich von Risiken oder möglichen Konsequenzen abschrecken zu lassen.

Das hat sie, liebe Angehörige, manchmal den Atem anhalten lassen. Wenn auf einmal alles ganz schnell ging… Oder wenn sie nicht wussten, wie das wohl ausgeht…

Sie haben erzählt, wie sie sich noch vor der Wende in ihr Auto gesetzt und auf den Weg nach Meißen gemacht hat, um einen Kranz zum Begräbnis ihrer Tante zu bringen.

Eine deutsch-deutsche Grenze, scheinbar unüberwindbar und von vielen auch gefürchtet, konnte sie nicht aufhalten. Sie hat es tatsächlich geschafft, nicht einfach abgewimmelt zu werden, sondern ein Blitzvisum zu bekommen: mit ihrer Beharrlichkeit und mit einer gewissen unschuldigen Unbedarftheit… ihrem fröhlichen Charme…

Sie war eine, die das Leben so nimmt, wie es kommt, auch das Unvorhergesehene, das, was anders geplant war oder aus dem Ruder gelaufen ist, und nicht den Kopf in den Sand steckt, sondern das Beste draus macht und nach vorne schaut. Nicht wartet, dass was passiert, sondern das Heft selbst in die Hand nimmt.

Manche Entscheidung hat sie wohl nicht bis zu Ende durchdacht. Und es war auch nicht immer leicht für die, die da mit mussten… Aber: Sie hat die Dinge angepackt. Offensiv. Und dabei nie ihren Optimismus verloren. Ihre Erwartung. Dass das Leben Gutes bereit hält… Auch dann, wenn man Dinge im Gepäck hat, die schwer zu tragen sind…

Sie hat sich den Blick bewahrt, für die vielen kleinen Dinge und Wunder, die dem Leben Farbe geben und es kostbar machen. Und das hat sie dankbar gemacht.

Ihre positive Grundhaltung, wie sie das Leben gemeistert hat und nicht hart oder bitter geworden ist, war ansteckend und ermutigend.

Herzerfrischend, ihr Humor. Ihr Sinn für die Komik des Alltäglichen. Die Art wie sie die Dinge beobachtet und beschrieben hat, erzählt oder in Geschichten verpackt. Mit einem Schalk im Nacken. Und der wunderbaren Gabe über sich selbst zu lachen.

Sie war Großmutter mit Leib und Seele. Viele ihrer Geschichten zeugen davon. Eine Oma, die alles mitmacht; auf dem Spielplatz zusammen mit den Enkeln die Spielgeräte benutzt und hinterher wunderbar komisch darüber schreiben kann, wie sie stecken geblieben ist.

 

Herzanrührend ihre Gedichte, in denen sie Einblick gibt in die Erfahrungen, die sie geprägt haben, in ihre Gefühle und Gedanken. Ihre Texte, in denen sie über die deutsche Geschichte schreibt, die sie als Mädchen und junge Frau erlebt hat und die Konsequenzen, die sie daraus gezogen hat…

Sie hatte ein großes Herz: Sie war HERZ-lich − und großzügig. Sie ist anderen Menschen unvoreingenommen begegnet, ohne Vorbehalte, ohne Berührungsängste. Hat sie so genommen – an-genommen und ernst-genommen – wie sie sind. Mir ihren Eigenheiten und Besonderheiten. Und hat immer erst mal das Beste angenommen – „gutgläubig“, guten Mutes, guten Willens.

Eine Herzensgüte, die wohltuend – und entwaffnend − war.

Ein großes Herz… − und auch ein trauriges Herz: Was in der Welt geschieht, das hat sie nicht kalt gelassen. Es hat sie umgetrieben und angetrieben. Allem voran das Unrecht und die Gewalt, die Deutsche in der Nazizeit und im 2. Weltkrieg so vielen Menschen angetan hatten.

Eine Geschichte, die ganz eng mit ihrer eigenen Biografie verbunden ist. 1928 geboren, gehört sie zu einer Generation, die mit der Nazi-Ideologie aufgewachsen, großgeworden ist. − Eine geraubte Jugend, eine verführte Jugend, eine missbrauchte Jugend.

Ulla hat keinen Hehl daraus gemacht, wie stolz und gerne sie beim BDM mitgemacht hat und wie sie Hitler verehrt hat. Aber auch nicht daraus, wie groß das Erschrecken war und die Scham, als ihr die Augen aufgingen, was das für ein Regime war.

Ein Schlüsselerlebnis: Die Begegnung mit Lioba, einer Zwangsarbeiterin aus Osteuropa, mit der sie in einer Rüstungsfabrik zusammen gearbeitet hat. Eine Begegnung, die ihr Herz berührt hat und die sie den Menschen, den Mitmenschen hat sehen lassen, nicht den wesenlosen Feind. −

Eine Begegnung, die sie ihr Leben lang begleitet hat.

Dass all das Unrecht nicht vergessen wird und dass da ganz viel „Abbitte“ nötig ist, Zeichen der Sühne und Bitte um Vergebung, das war ihr ganz wichtig. Die Mitwirkung beim „Alternativen Volkstrauertag“, das Gedenken an die viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter die im Krieg von Deutschland ausgebeutet wurden und ihr Leben verloren haben; stellvertretend für sie alle der Gang auf den Alten Friedhof hier in Hiltrup mit Blumen und Kerzen – das war ihr bis zum Schluss ein Herzensanliegen.

Dass auch sie hier begraben wird, in der Nähe von ihnen, das hat sie sich gewünscht…

Für Ulla war klar: Das, was in der Nazi-Zeit passiert ist, darf nie wieder geschehen. Und dafür hat sie sich eingesetzt. Ist in Schulen gegangen, hat erzählt von ihren Erlebnissen. Anders als viele andere ihrer Generation hat sie sich weder in Schweigen gehüllt noch irgendwas schöngeredet oder geklittert. Mutig und offen. Es war ihr wichtig, die Mechanismen der Verführung sichtbar zu machen und die Anfälligkeit für einfache Parolen. Schön früh, hat sie gewarnt vor dem Wiedererstarken der Rechten, vor latentem Fremdenhass und Antisemitismus, sehr feinfühlig für die Signale, für eine sich verändernde Sprache, dafür, was auf einmal „hoffähig“ ist...

Das zweite Thema, das sie umgetrieben hat, das ihr am Herzen lag: Die Frage nach der Gerechtigkeit. Dass die Welt, wenn sie zukunftsfähig sein soll, allen Menschen Lebenschancen und –perspektiven eröffnen muss. Für Ulla war klar, dass das nur im Miteinander und auf Augenhöhe geht. Und dass das nicht nur Sache von „denen da oben“ ist, sondern dass man selbst was dafür tun muss – und kann.

Dafür ist sie auf die Straße gegangen, hat sich in der Friedensbewegung engagiert und im Ökumenischen Arbeitskreis für Frieden und Gerechtigkeit, hat geschrieben, geredet und gebetet. Mutig und leidenschaftlich. Fröhlich und manchmal auch traurig…

„Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.“ (Matthäus 5,6) Ein Wort von Jesus aus der Bergpredigt. Und Ullas Konfirmationsspruch. Ein Satz wie ein Leitmotiv, wie eine Überschrift über ihrem Leben.

Das Hungern und Dürsten nach Gerechtigkeit, das hat sich durchgezogen durch ihr Leben wie ein roter Faden, das hat sie angetrieben. Und dass dieser Hunger, dieser Durst so oft ungestillt blieb, das hat sie manchmal zur Verzweiflung getrieben. Und hadern lassen – nicht nur mit den Zuständen und Missständen in dieser Welt, sondern auch mit Gott. „Wenn der das alles zulässt und nichts unternimmt, dann kann das kein lieber Gott sein“…

 

Aber es hat sie nicht davon abgebracht, weiter nach der Gerechtigkeit zu suchen. Weiter danach zu fragen. Nach Antworte zu suchen – auch von Gott. Und: sich weiter dafür einzusetzen.

Das alles auch in der Überzeugung, dass das sehr wohl im Sinne Gottes ist − „Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.“ – und mit einem Grundvertrauen, dass es Gott, ihr Schöpfer, gut mit ihr meint, und dass am Ende auch ihr Durst, ihr Hunger nach Gerechtigkeit von Gott gestillt werden kann.

Dass es bei ihm die eine entscheidende Antwort gibt: „Doch immer war da über mir auch ein Stück Himmel; war einer der mich liebte.“ – Auch das eine Zeile aus einem Gedicht von ihr.

„Selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.“ – Das ist ein Versprechen. Damit es wahr werden kann, braucht es Menschen, die sich nicht entmutigen lassen, die sich nicht abfinden, mit dem, was ist, sondern vom Besten ausgehen – allem Augenschein zum Trotz − und dabei ihr Bestes geben. So wie Ulla das getan hat.

Eine Frau, die das Leben geliebt, es mit offenen Händen empfangen und mit offenen Händen ganz viel davon weitergegeben hat.

Deshalb hat sie sich so sehr gewünscht, dass nach ihrer Beerdigung „gefeiert“ wird: dass da die Menschen zusammenkommen, die ihr wichtig gewesen sind, ihre Familie, die Freunde und Wegbegleiter, sich austauschen, sich erinnern und Geschichten erzählen, lachen… und sicher auch weinen… Leider geht das jetzt nicht wegen Corona oder, wie Ulla gesagt hätte: „wegen diesem Conora…“ Aber im Sommer wird das nachgeholt und dann wird sie „da“ sein, ganz lebendig, ganz präsent in Eurer, in Ihrer Mitte…

Und in der Zwischenzeit? Liebe Angehörige, Sie haben mir von einer WhatsApp erzählt, die sie bekommen haben, kurz nach Ullas Tod. Da stand drin: „Ulla mischt bestimmt schon im Himmel alles auf – kein Wunder, dass es so schneit.“ − Ja, das kann man sich sehr gut vorstellen:

Dass sie „da oben“ ein paar Fragen stellt und auch ein paar Einsichten und gute Tipps auf Lager hat… ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Und dass Gott sich freut über das Leben, dass da in die Bude kommt. Den Zuwachs im Kabinett seines Reiches…

Und ich bin zuversichtlich, dass ihr Hunger und Durst dort gestillt wird. Dass sie aufgehoben ist und geborgen ist bei GOTT, in seiner Liebe. Selig eben.

In einem Gebet, das sie formuliert hat, dankt sie Gott dafür, dass es ihn gibt und dass sie sich ein seine Hände begeben kann. Ein Gebet, das noch einmal ganz  viel von ihrer Sicht auf das Leben zeigt:

Danke für jeden Morgen, wo mich die Sonne an der Nase kitzelt oder Regen an die Fensterscheiben schlägt;  wo ich aufstehe ohne Beschwerden.

Danke für jeden Tag, wo Kinderlachen meinen Mittagsschlaf durchdringt, wo ich durch Straßen gehen kann, die mir vertraut sind. wo ich in der Dämmerung heimkehre in mein Haus und ein Anruf mir sagt, dass ich geliebt werde.

Danke für die Sommertage am See, wo sich der blaue Himmel mit dem glitzernden Wasser verbindet oder Wolken und Sturm über den See peitschen.

Danke für jede Blume und jedes Blatt.

Danke für die herrliche Schöpfung.

Danke für die Kraft, die du mir schenktest, um Leidvolles zu bewältigen.

Danke für die Gewissheit, dass es dich, Schöpfer, gibt.

Und ich mich in deine Hände begeben kann.

Amen

Ulla`s letzter Weg nach ihren eigenen Worten (abgedruckt auf dem Gedenkkärtchen zu ihrer Beerdigung am 21. Januar 2021)

Heute,

als Abendwolken und See zu kupfernem Gold verschmolzen, riss ein Stück Himmel noch einmal auf und azurnes Blau ließ mich staunend in lichtdurchflutete Unendlichkeit blicken.

Ein letzter goldbestaubter Sonnenstrahl streifte die Erde und wärmte mein Gesicht.

Da war mir so, als würden meine Kinderträume Wirklichkeit. Es schien mir ganz gewiss:

Ganz weit da oben im Blau, auf einem großen Wolkenthron sitzt Gott. Weise und gütig.

Und meine Träume weiterspinnend, dacht` ich, in der mir vorbestimmten Stunde werde ich auf einem Sonnenstrahl direkt in seinen Himmel gehen und einfach sagen: „Herr, da bin ich!“

Selbstdarstellung des Ökumenischen Kreises für Frieden und Gerechtigkeit, Hiltrup

anlässlich der Verleihung des Förderpreises "Konziliarer Prozess" der

Evangelischen Kirche von Westfalen am 23.11.2002 in Haus Villigst, Schwerte

Ursula Knaul

Meditation - Stacheldraht und Rose als Zeichen der Hoffnung

1983 erwählte der ökumenische Kreis für Frieden und Gerechtigkeit Stacheldraht und Rose zum Symbol seiner Arbeit und seines Engagements. Er befand, dass so die Befindlichkeit dieser Erde am besten zum Ausdruck kommt.

Der Stacheldraht, der die Rose umfängt, ja fast bedrohlich einengt, steht für das, was wir uns selbst antun, für das von Menschen geschaffene Leid:

Stacheldrahtvor Schützengräben, vor Konzentrations- und Internierungslager. Stacheldraht als Hindernis, Abwehr und Todesfalle für Flüchtende und Asylsuchende, aber auch als Symbol für Rechtlosigkeit und Unterdrückung, für Hass und Gewalt, für Hunger, Armut und Ungerechtigkeit und für weltweites Kinderelend. Der Stacheldraht steht für eine waffenstarrende, friedlose Welt.

In dieser unzulänglichen, beinahe am Abgrund stehenden Erde ist die Rose ein Zeichen der Liebe Gottes zu seinen Menschen und seinem Gebot, diese Liebe weiterzugeben im engsten wie im weitesten Sinne. Für eine Zukunft zu kämpfen, die das Dasein auf unserem Planeten für alle lebenswertmacht.

Als Gott uns seine Schöpfung überantwortete, damit wir sie in seinem Sinne allumfassend bewahren, schenkte er uns gleichzeitig die Kraft zur Gestaltung, den Mut zu Visionen, die Bereitschaft zur Umkehr, die Einsicht, Irrwege zu korrigieren. Gott gibt uns immer wieder erneut die Chance zum Neuanfang. Die Rose als ein einziger Teil seiner wunderbaren Schöpfung symbolisiert seine Erfassbarkeit und seine Gegenwart in dieser widersprüchlichen Welt.

Ulla`s Rundbrief zu Weihnachten 2011 und zum Neuen Jahr 2012

Eines Nachts träumte ich

Ich sei in einen Laden gegangen.

Hinter der Theke stand ein Engel.

„Was verkaufen Sie?“ fragte ich.

Der Engel antwortete freundlich

„Alles, was Sie wollen“.

Da begann ich aufzuzählen:

„Dann hätte ich gerne

Das Ende aller Kriege,

Brot für die Hungrigen,

Heilung für die Kranken,

Trost für die Trauernden,

Arbeit für die Arbeitslosen,

mehr Liebe auf der Welt“.

Da schüttelte der Engel

bedauernd den Kopf.

„Entschuldigen Sie,

ich habe mich wohl

falsch ausgedrückt.

Bei mir gibt es keine Früchte,

bei mir gibt es nur die Samen“.

(Unbekannt)

 

Liebe Mitstreiter,

die kleine Geschichte, die wir zum Abschluss des Jahres gelesen haben,

sollte uns nicht verloren gehen.

In der Zuversicht, dass eine andere Welt möglich ist, wünsche ich Ihnen ein fröhliches und doch besinnliches Weihnachtsfest im Kreis Ihrer Familie oder guten Freunde und ein friedvolles neues Jahr.

Am 4. Januar 2012 werden wir die Politik wieder unter die Lupe nehmen.

Danke für Ihr Interesse,

herzlichst Ihre Ulla Knaul

 

Ein stressfreies, fröhliches Weihnachtsfest und ein erfülltes Neues Jahr wünscht Euch

die alte Ulla K.

Lieber Winni,

ich bin sehr froh, dass Du immer wieder gegen das „Vergessen“ angehst. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du Deinen so erschütternden Vortrag der Deportation aus Münster mal in Hiltrup halten könntest.

Deine grüne Ulla

 

 


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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