Nachtwei zum Wehrbeauftragtenbericht
Von: Webmaster amFr, 30 Juni 2006 20:38:02 +02:00In der Debatte um den Bericht des Wehrbeauftragten ergriff Winfried Nachtwei für seine Fraktion das Wort:
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin Kunert, zum Sitzplatz des WehrbeaufÂtragten will ich Ihnen sagen: Der Wehrbeauftragte ist ein Beauftragter unseres Parlaments, aber kein Mitglied dieÂses Hauses. Wie Sie wissen, dürfen nur gewählte MitÂglieder des Hauses den Parlamentsbereich betreten.
(Abg. Katrin Kunert [DIE LINKE] weist auf die Bundesratsbank)
- Das sind Länderplätze. - Man muss sich schon an die Gegebenheiten dieses Parlaments halten.
Nächster Redner ist der Kollege Winfried Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wehrbeauftragter! Lieber Reinhold Robbe, herzliÂchen Dank für Ihren ersten Jahresbericht, den zum Jahre 2005. Zugleich bedanke ich mich auch bei all Ihren MitÂarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich für diesen wieÂder sehr hilfreichen Bericht.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)
Ich begrüße ausdrücklich Ihr Bemühen, auch durch vermehrte unangemeldete Besuche in der Truppe dichter an die unverstellte Realität in der Bundeswehr heranzuÂkommen und dies dann auch öffentlich zu machen. Das ist zwar unbequem für die Betroffen selbst, aber auf jeÂden Fall hilfreich. Damit beschreiten Sie also einen guÂten Weg.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wegen der Kürze der Zeit kann ich nicht zu den verÂschiedenen Details Stellung nehmen; dafür haben wir im Ausschuss genügend Zeit. Deshalb möchte ich vor allem zu zwei Aspekten sprechen.
Zunächst komme ich zu der Kernbotschaft in dem BeÂricht. Die Kernbotschaft ist Ihr zu Recht erteilter HinÂweis auf eine auseinander klaffende Schere: die Schere zwischen den Belastungen und Anforderungen auf der einen Seite und den Leistungen, Besoldungen usw., die es für die Soldatinnen und Soldaten dafür gibt, auf der anderen Seite.
Viele Bürgerinnen und Bürger werden sagen: Na ja, das ist doch die normale Entwicklung in den letzten JahÂren gewesen. Wir müssen auch mehr Arbeit erbringen und erhalten trotzdem weniger. Man muss aber bedenÂken, dass hier ganz wesentliche Unterschiede bestehen. Ich denke auf der einen Seite an die Anforderungsebene. Es werden Auslandseinsätze, ständige Vor- und NachbeÂreitungen und monatelange Abwesenheiten von zu Hause gefordert, was mit enormen Belastungen für die Angehörigen, die Familie, verbunden ist. Die Leute werÂden in die Einsätze befohlen und gehen ein Risiko für Leib und Leben ein. Das ist ein ganz besonderes AnforÂderungsniveau, welches es in keiner anderen BerufsÂgruppe gibt.
Auf der anderen Seite - Herr Wehrbeauftragter, Sie haben selbst darauf hingewiesen - befinden sich zwei Drittel der Bundeswehrangehörigen in unteren BesolÂdungsgruppen.
Daneben sind die Bedingungen hierzulande zuminÂdest stellenweise sehr problematisch. Das wurde von IhÂnen und auch von anderen Kolleginnen und Kollegen eben dargestellt. Ich nenne zum Beispiel die sanitäre Versorgung, die immer mehr zu wünschen übrig lässt, und - das wurde in den letzten Wochen noch einmal deutÂlich und das wurde auch in Ihrem Bericht dargestellt - die Unterkunftsverhältnisse für die Soldaten lassen teilweise wirklich sehr zu wünschen übrig.
Das sind die Kernbotschaften Ihres Berichts.
Ein weiterer Punkt ist, dass Sie die Forderung des Bundespräsidenten nach einer breiten sicherheitspolitiÂschen Debatte deutlich unterstützen. Diese ist in der Tat sowohl die Voraussetzung für die außenpolitische HandÂlungsfähigkeit und Verlässlichkeit als auch dafür, den Soldaten eine entsprechende Orientierung zu bieten. Sie ist deshalb von elementarer Bedeutung.
Diese Debatte muss in den nächsten Monaten stattfinÂden. Bis zum Jahresende besteht dazu die Gelegenheit. Danach wäre diese so enorm wichtige Chance vertan. In der Debatte sind folgende Schlüsselfragen zu berückÂsichtigen:
Erstens muss über die Auswertung unserer bisherigen Auslandseinsätze diskutiert werden. Bisher ist eine solÂche Auswertung noch nicht erfolgt.
Zweitens müssen die deutschen Sicherheitsinteressen im Kontext europäischer und internationaler SicherheitsÂinteressen genauer geklärt und abgestimmt werden.
(Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Drittens ist unser Verständnis von Verteidigung zu klären. In diesem Zusammenhang gerät inzwischen imÂmer mehr durcheinander. In diesem Punkt ist eine gröÂßere Präzision sehr wichtig.
Schließlich stellt sich die Frage, wie der Anspruch eiÂner umfassenden Sicherheitspolitik, die wir alle wollen, im Sinne einer kohärenteren Politik und im Sinne von ausgewogenen sicherheitspolitischen Fähigkeiten operaÂtionalisiert werden kann.
Zu dieser Debatte sind selbstverständlich nicht nur die Mitglieder der sicherheitspolitischen Community - Bundeswehrangehörige, der Bundeswehrverband und der Reservistenverband - aufgerufen, sondern auch die Wissenschaft, Parteien, Kirchen, Medien, FriedensprakÂtiker und Friedensorganisationen, also all diejenigen, die sich den Regeln und Anforderungen des Systems der Vereinten Nationen verpflichtet fühlen. Ich glaube, das ist die Basis, auf der diese Debatte geführt werden sollte.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Ich komme zum Schluss. - Diese dringend notwenÂdige Debatte - ein Blick in den Plenarsaal hat mir geÂzeigt, dass alle Kolleginnen und Kollegen mehr oder weÂniger auffällig dazu nicken - kommt nur dann zustande, wenn in den nächsten Monaten Fakten geschaffen werÂden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, Sie haben sicherlich im Ausschuss noch viel Zeit, um dieses Thema ausgiebig zu beraten.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Aber ich appelliere an den Minister, nicht einfach Fakten zu schaffen, sondern den Entwurf des WeißbuÂches auch öffentlich zur Diskussion zu stellen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)