Künftige Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide
Von: Webmaster amDo, 13 April 2006 13:10:03 +02:00Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen brachte folgende von Winfried Nachtwei initiierte Kleine Anfrage zur "Künftigen Nutzung der Kritz Ruppiner Heide" ein:
Deutscher Bundestag Drucksache 16/1230
16. Wahlperiode
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Harald Terpe, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Künftige Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide
Seit 1992 währt der Streit um die militärische oder zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide. Trotz erheblicher militärpolitischer Einwände und trotz einer breiten und parteiübergreifenden Protestbewegung in der Region, der ablehnenden Haltung an- und umliegender Gemeinden, vieler Unternehmer, Bürgermeister und Landräte in der Region sowie der Parlamente und Landesregierungen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin beabsichtigt das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) unverändert, auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz der sowjetischen Streitkräfte einen Luft-/Boden-Schießplatz mit 1700 Einsätzen pro Jahr und jeweils etwa fünf bis sieben Flugrunden pro Einsatz einzurichten.
Die Kyritz-Ruppiner Heide ist ein einmaliges Natur- und Landschaftsgebiet. In der Region sind fünf Gebiete nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Gemeinschaft als Schutzgebiete zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen nach der Vorgelschutz-Richtlinie ausgewiesen. Hierzu zählen der Müritz-Nationalpark und angrenzende Gebiete, die u.a. als Brut- und Lebensraum für seltene Großvögelarten wie Seeadler, Fischadler und Kraniche dienen sowie die Wittstock-Ruppiner Heide mit seltenen schützenswerten Pflanzen und Tieren. Mit der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes 1998 wurde die FFH-Richtlinie in Deutschland in Bundesrecht umgesetzt.
Die Europäische Kommission hat in einem Schreiben vom 20. Oktober 2005 mitgeteilt, dass sie der Bundesregierung bereits im Juli 2005 ihre Auffassung dargelegt habe, dass Deutschland es versäumt habe, die Auswirkungen der Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 über die künftige militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes und Luft-/Boden-Schießplatzes Wittstock im Lichte von Artikel 6 Absätze 3 und 4 sowie Artikel 7 der FFH-Richtlinie zu prüfen. Die Kommission hat daher ein Beschwerdeverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Die Kommission hat dies der Bundesregierung formal mit Schreiben vom 13. Juli 2005 mitgeteilt. Ferner hat die Kommission die Bundesregierung zu einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Monaten aufgefordert.
Seit 1993 gehen Gemeinden, Umweltverbände und Einzelpersonen gerichtlich gegen das Vorhaben eines Luft-/Boden-Schießplatzes vor. Ein Ende des Rechtsstreites ist nicht abzusehen.
Wir fragen die Bundesregierung:
- 1. Welche konkreten Fragen hat die Europäische Kommission bezüglich der militärischen Nutzung von nach FFH-Richtlinie und nach Vogelschutz-Richtlinie geschützten Flächen an die Bundesregierung gerichtet?
- 2. Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlasst, auf diese Fragen nicht fristgerecht zu antworten?
- 3. Bis wann wird die Bundesregierung ihrer Pflicht zur Beantwortung der Anfrage der Europäischen Kommission nachkommen?
- 4. Hat die Bundesregierung Stellungnahmen der zuständigen Bundesländer Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern angefordert, und wenn ja, wie bewerten die beiden Bundesländer die Auswirkungen eines möglichen Luft-/Boden-Schießplatzes Wittstock auf die FFH-Schutzgebiete?
- 5. Wird die Bundesregierung in ihrer Antwort an die Europäische Kommission auch die Auffassungen der Landesregierungen von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern darstellen, und wenn nein, warum nicht?
- 6. Wie bewertet die Bundesregierung nach derzeitigem Erkenntnisstand die Auswirkungen der Verwaltungsentscheidung über die künftige militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes und Luft-/Boden-Schießplatzes Wittstock im Hinblick auf jene Verpflichtungen, die sich aus Artikel 6 Absätze 3 und 4 und Artikel 7 der FFH-Richtlinie ergeben?
- 7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Aufnahme des Übungsbetriebes auf dem geplanten Luft-/Boden-Schießplatz Wittstock ohne FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht möglich ist und ohne diese die FFH-Richtlinie nicht eingehalten würde, und wenn nein, warum nicht?
- 8. Stimmt die Bundesregierung uneingeschränkt der Auffassung zu, dass grundsätzlich alle Handlungen zu unterlassen sind, welche die Erreichung der FFH-Schutzgebietsziele in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern beeinträchtigen bzw. verhinderten, und wenn nein, warum nicht?
- 9. Ist auch die Bundesregierung der Auffassung, dass Störungen bzw. Beeinträchtigungen der FFH-Schutzgebiete in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zu einem weiteren, erheblichen Verlust an biologischer Vielfalt in Deutschland und Europa beitrügen, und dass damit das Vorhaben eines kohärenten europäischen Schutzgebiet-Systems (Natura 2000) gefährdet würde, und wenn nein, warum nicht?
- 10. Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ergreifen, um die Störung bzw. Beeinträchtigung der FFH-Schutzgebiete durch eine Inbetriebnahme des geplanten Luft-/Boden-Schießplatzes Wittstock zu verhindern?
- 11. Wie viele Klagen von Anrainergemeinden, Umweltverbänden oder Einzelpersonen und wie viele Gerichtsverfahren hat es bisher gegen eine Inbetriebnahme des Luft-/Boden-Schießplatzes Wittstock gegeben, und mit welchem Ergebnis endeten sie? (Bitte einzeln aufschlüsseln: wann, welche Beteiligte, Ausgang des Verfahrens)
- 12. Trifft es zu, dass der Bund verurteilt ist, die Kosten sämtlicher bisheriger Verfahren zu tragen und um eine welche Summe handelt es sich hierbei?
- 13. Wie hoch sind die Gesamtkosten und -auslagen, die dem Bund im Zusammenhang mit den gerichtlichen Verfahren entstanden sind, und zwar insbesondere für:
- a) die eigene anwaltliche Vertretung des BMVg in diesen Verfahren?
- b) die den gegnerischen Rechtsanwälten zu erstattenden Gebühren und Auslagen?
- c) die Gerichtskosten?
- d) die Aufwendungen und Auslagen für die Erstellung von Gutachten, die das BMVg den Gerichten vorgelegt hat?
Berlin, den 13. April 2006
Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion