Vorm Tag des Peacekeepers: Staatsaufbau in Chaos + Krieg, 25 Lehren des dt. UN-Peace Pioneers Martin Kobler
Von: Nachtwei amSo, 08 Oktober 2017 18:18:05 +02:00Bei der letzten Feierstunde zum Tag des Peacekeepers im Juni 2016 in Berlin hielt der dt. UN-Diplomat die Hauptrede, bei der ersten 2013 auch. Die ZEIT veröffentlichte die komprimierten Erfahrungen und Lehren von Martin Kobler nach zwei Jahren als UN-Sondergesandter in Libyen.
Vorm „Tag des Peacekeepers 2017“:
Staatsaufbau in Chaos und Krieg, z.B. Libyen:
25 Lehren des dt. UN-Peace Pioneers Martin Kobler
nach zwei Jahren als VN-Sondergesandter in Libyen
W. Nachtwei (10/2017)
(Fotos www.facebook.com/winfried.nachtwei )
Von November 2015 bis August 2017 leitete der deutsche Diplomat Martin Kobler als UN-Sondergesandter in Libyen die UN-Unterstützungsmission UNSMIL. 2013-2015 hatte er als SRSG die zzt. größte UN-Mission MONUSCO in der DR Congo geleitet, 2011-2013 die UN-Unterstützungsmission im Irak, vorher war er stellvertretender Leiter von UNAMA in Afghanistan. (Jetzt ist er deutscher Botschafter in Pakistan.)
„WIE BAUT MAN EINEN STAAT AUF? Libyen hat zwei verfeindete Regierungen und mehr Warlords als Politiker. Der Deutsche Martin Kobler hat zwei Jahre lang im Auftrag der UN versucht den zerfallenen Staat zu kitten. Was er dabei gelernt hat – ein Leitfaden in 25 Schritten“ von Elisabeth Raether, ZEIT 5. Oktober 2017:
http://www.zeit.de/2017/41/libyen-regierungen-staat-martin-kobler
Die „25 Schritte“ sind
- ein Praxis-Kommentar zu den neuen Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen,, Frieden fördern“ der Bundesregierung vom Juni 2017 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/128/1812813.pdf );
- eine Botschaft zum Festakt am diesjährigen Tag des Peacekeepers am 23. Oktober in Berlin von d e m deutschen Krisendiplomaten, der 2013 und 2016 beim ersten und vierten Peacekeeper-Tag die Hauptrede gehalten hatte.
Die 25 Schritte in Überschriften
1. Baue eine Armee auf
2. Baue die Justiz auf
3. Ein Staat lebt nicht vom Brot allein
4. Gehe nicht von dir selbst und deinen Vorstellungen aus
5. Über dich in Empathie
6. Achte auf dein Vokabular
7. Rede mit denen die Macht haben …
8. … und auch mit den Gaunern
9. Kenne deine eigenen Schwäche
10. Lass dich nicht aus der Ruhe bringen …
11. … auch nicht, wenn dir eine Fatwa droht
12. Ein paar Kampfhubschrauber dabeizuhaben kann nicht schaden
13. Nimm einen Psychologen mit
14. Neutralität ist ein Vorteil …
15. … aber nicht zu viel Neutralität
16. Wahlen werden überschätzt
17. Geld ist nicht so wichtig …
18. … aber manchmal schon
19. Kommuniziere direkt mit der Öffentlichkeit
20. Improvisiere
21. Es kommt auf die Details an
22. Auch unperfekrte Lösungen sind gut
23. So tun, als ob
24. Kenne die Grenzen Deiner Opferbereitschaft
25. Kenne den Preis von Eiern
Aus der Rede Martin Koblers am Tag des Peacekeepers im Juni 2016:
Er beginnt mit zwei Geschichten: Vor wenigen Wochen habe er in Libyen eine alten Mann von 70 Jahren getroffen. Auf dem Markt verkaufte er sein Zahngold. Der ehemals wohlhabende Mann wollte seiner Familie ein würdiges Ramadan-Fest ermöglichen. Im vorigen Jahr habe er in einem Lager für ehemalige Kindersoldaten einen 15-Jährigen kennengelernt. Rebellen hatte seine Eltern vor seinen Augen erschlagen. Sie führten dem damals Zehnjährigen vor Augen, dass es für ihn keinen Weg zurück gab. Sie versklavten ihn, setzten ihn unter Drogen, richteten ihn zum Morden ab. „Solche Geschichten begleiten uns Tag und Nacht.“
Prägend seien die Begegnungen mit den Menschen in den Einsatzländern – und mit den Tausenden in den Missionen, aber auch NGO`s.
Seit 12 Jahren kommen jedes Jahr mehr als 100 Peacekeeper um`s Leben.
Kobler betont die Notwendigkeit, die Politik der Konfliktprävention und des Dialogs fortzuführen, jede kleine Chance zu nutzen.
Zugleich stellen sich schwierige Fragen: Hätten vor wenigen Jahren in Syrien nicht Schutzzonen und „sichere Häfen“ das Massentöten eindämmen können?
Die Friedenseinsätze der UN schützen 125 Mio. Menschen und kosten 9 Mrd. US-$ pro Jahr, 70% davon finanziert von sechs Staaten. In der Größenordnung sei das ein Drittel des Haushaltes des Landes Berlin.
Dringend nötig habe die UN eine Verwaltungsreform. Rückkehrer aus den Friedensmissionen sollten in ihren Heimatländern Karrierevorteile haben.
Zum Abschluss seiner Rede kommt die Grunderfahrung eines UN-Krisendiplomaten zum Ausdruck, der in extremen Konflikt- und Notlagen und oft am Rande des Abgrunds gemeinsames HANDELN voranbringen muss, wo andere Verantwortungsträger zu oft beredt im Nichthandeln verharren: Statt immer nur zu fragen und nicht zu handeln: „act don`t ask!“
Peacekeeper seien Geschichtenerzähler: „Hinschauen, auch wenn`s weh tut! Was tun, auch wenn`s schwer fällt!“ ((http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1497 )
Heikle Mission in Libyen - Unterwegs mit dem UN-Sondergesandten Martin Kobler, von Björn Blaschke, Deutschlandfunk 11.03.2017, http://www.deutschlandfunk.de/heikle-mission-in-libyen-unterwegs-mit-dem-un.799.de.html?dram:article_id=381022